Auch für Lennep gilt - wie für Remscheid -, dass vor etwa 5000 Jahren Menschen erste Spuren in die Wälder zeichnen. Steinbeile sind gefunden worden, wo später die Stadt entstand. Aber ehe der Ort mit seinem Namen in das Licht der Urkunden rückt, vergehen von der frühesten - vorübergehenden - Besiedlung an mehr als 4000 Jahre. Mitte des 12. Jahrhunderts entstehen die ersten Schriftzeugnisse, die über Lennep berichten. Das Küsteramt des Stiftes Werden an der Ruhr verfügte 1126 über ein Gut bei Lennep, das Zur Kemenaden (heute Kimmenau) hieß. Später im Jahrhundert ist von einer Villa Linniphe die Rede, von einer Villikationsverfassung, die einem grundherrlichen Kleindorf galt, vermutlich in der Hand Engelberts I. von Berg.
Um 1230 erhält Lennep Stadtrecht und wird befestigt. Es entsteht eine Pfarrei. 1325 werden die Stadtprivilegien erneuert, da die alten nach einem Stadtbrand weggefallen waren. Im 15. Jahrhundert nennt Lennep sich eine Stadt, »die in der Hanse ist«, Hinweis auf ihre Handelskraft; um 1500 werden ihre Tuchmacher berühmt. 1569 zerstört ein großer Brand die Stadt bis auf 17 Häuser, aber in wenigen Jahren ist sie wieder aufgebaut. 1746 brennt Lennep abermals nieder. Diesmal geht es mit dem Wiederaufbau langsamer voran. In dieser Zeit steht die Lenneper Lateinschule in hoher Blüte. Sie wird 1802 geschlossen.
Als Napoleon kommt, erhält auch Lennep eine Bürgermeistereiverfassung, unter Aufhebung der Privilegien als Stadt. 1816 wird der Kanton Lennep preußischer Landkreis. Und 1830 erscheint das erste Lenneper Kreisblatt, die älteste Zeitung weit und breit, bis heute in der »Bergischen Morgenpost« fortlebend. »Redacteur« war ein Rektor J. H. Müller. Mittwochs und sonnabends war je eine Ausgabe zu lesen, zum Preise von vierteljährlich 7,5 Silbergroschen. »Haupttendenz des Blattes sey,« so heißt es in der Jungfernausgabe, »schnellere Verbreitung der von der landräthlichen und jeder anderen obrigkeitlichen, gerichtlichen, polizeilichen, Verwaltungs-, Kirchen- und Schul-Behörden des Lenneper Kreises ausgehenden, die Bewohner desselben unmittelbar oder mittelbar betreffenden Verfügungen, wobei denn die Herren Beamten öfters Gelegenheit finden und nehmen werden, sich über Veranlassung, Nutzen und die beste Art der Ausführung derselben umständlicher auszusprechen als es vielleicht auf dem gewöhnlichen Wege thunlich seyn möchte.« Mit anderen Worten: in Aussicht genommen war ein amtliches Mitteilungsblatt mit Werbe-Funktion für die Behörden. Aber eines machte das Blatt deutlich: die Stellung Lenneps in diesem Teil des Bergischen Landes. Die Stadt Lennep spielte eine führende Rolle, erhielt 1840 eine Königliche Handelskammer und 1842 eine private Aktiengesellschaft für Gasbeleuchtung. ( )
In vielen Zügen war das Leben in dieser Stadt mit dem Leben im alten Remscheid vergleichbar, auch wenn Lennep ein gänzlich anderes Wachstum hatte. Um 1700 standen im Mauerring der Stadt etwa 300 Häuser. Die Zahl erhöhte sich bis 1746 durch die Aufnahme der Feintuchfabrikation bis auf 430. Der erwähnte Stadtbrand vernichtete sie bis auf sieben. Man baute weniger Häuser wieder auf, die dafür höher. Die alte Einwohnerzahl erreichte man nicht mehr. 1790 standen 280 bis 290 Häuser, 1793 fielen die Stadtmauern und 1803 hatte sich die Häuserzahl wieder auf 350 bis 360 vermehrt.
Doch die bergische Hauptstadt Lennep hatte den Anschluss verpasst; Remscheid hatte sich weitaus kräftiger entwickelt, und mit dem mitleidigen Herunterblicken auf die armen Vettern vom Lande war es vorbei. Schon als Napoleon 1808 eine Verwaltungsordnung für das Großherzogtum Berg schuf und Kommunen oder Munizipalitäten bildete, zeigte sich, dass für ihn die Bevölkerungszahl ein wichtigeres Argument war als geschichtliche Reminiszenzen. Remscheid wurde eine Kommune ersten Grades, Lennep und Lüttringhausen hatten sich mit dem zweiten Grad zu bescheiden. Aber Lennep wurde 1816 Kreisstadt. Hatte die zentrale Lage hier eine Rolle gespielt, so auch bei der weiteren Entwicklung der Stadt zum Verkehrsknotenpunkt. 1851 bestehen Personenpostlinien von Lennep nach Remscheid, Elberfeld, Solingen, Köln, Olpe, Gummersbach, Lüdenscheid, Schwelm und Remlingrade, 1868 wird die Eisenbahnlinie Rittershausen-Ronsdorf-Lüttringhausen-Lennep-Remscheid eröffnet. Als 1856 die preußische Städteordnung auch im Bergischen Land eingeführt wurde, musste Lennep erneut erfahren, was es bedeutet, im Bevölkerungswachstum zurückzubleiben: Remscheid erhielt die Städteordnung wegen der Einwohnerzahl automatisch, Lennep nur nach Genehmigung eines entsprechenden Antrages.
Doch noch war die Geschichte nicht vollends verbraucht, noch gab es Statussymbole. Lennep erhielt 1877 ein Amtsgericht, und 1880 glühten zum ersten Mal weit und breit elektrische Lampen auf, in den Gebäuden der neuerrichteten Kammgarnspinnerei von Johann Wülfing und Sohn. Auch Lennep vermochte also technische Wegmarken zu setzen. 1883 entstehen Wasserleitung und Kanalisation (wenigstens ihr Anfang), 1888 wird die Lenneper Gasversorgungsanstalt Eigentum der Stadt. Außerdem wird eine Landwirtschaftliche Winterschule gebaut.
Doch dieses Dreikaiserjahr bringt in Bezug auf den Remscheider Nachbarn auch wieder ein Ereignis, das am Lenneper Selbstverständnis rüttelt: Remscheid scheidet aus dem Landkreis aus und wird selbständiger Stadtkreis, und 1893 geht der Substanzverlust weiter, denn in diesem Jahr werden Hohenhagen und Neuenkamp an Remscheid abgetreten. Das Jahr 1893 brachte den Lennepern aber auch den Bau ihrer Talsperre im Panzerbachtal, und schon 1894 konnten sie die neuangelegten Lüttringhauser Wasserleitungen aus ihrem Netz versorgen.
Die Straßenbahn kam 1907 nach Lennep, als die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft eine Linie von Wermelskirchen über Remscheid, Lennep, Lüttringhausen bis zur Halbach baute. 1922 wurde die Linie von der Remscheider Straßenbahn gekauft. Remscheid drängte sich nun immer stärker ins Lenneper Leben hinein. 1921 wurde die Handelskammer von Lennep nach Remscheid verlegt, und Ende der zwanziger Jahre begannen die Gespräche um eine Eingemeindung. Dass solche Gedanken bei traditionsbewussten Lennepern zunächst nicht auf Gegenliebe stießen, versteht sich am Rande. Zwar war Remscheid längst auf dem Weg zur Großstadt, während Lennep - wie E. Erwin Stursberg schreibt - »den Charakter eines Landstädtchens nicht abzustreifen vermochte«, aber die eigene Entwicklung, der Stolz auch auf die historische Rolle führte zu heftigen Widerständen.
Am Endergebnis war aber nicht mehr zu deuteln. In einer Kampfabstimmung des preußischen Landtags wurde die Eingemeindung beschlossen, Lennep kam mit seinen 1736,35 ha Gebiet und seinen 14463 Einwohnern zu Remscheid. Im Jahre 1930 gab es noch einmal eine kleine Korrektur. Vom Lenneper Gebiet wurden einige Striche mit den Ortschaften Wilhelmsthal, Krebsöge, Steeg und Nagelsberger Gemarke an Radevormwald abgetreten.
Lennep hat durch die Eingemeindung nicht aufgehört zu existieren. Es hat - wenn auch mit vorsichtigen baulichen Veränderungen - seinen historischen Stadtkern bewahrt, auch eine eigene, von der Remscheider völlig verschiedene Mundart. Im konfessionellen Bereich gingen die Lenneper ohnehin eigene Wege. Hier stritten von 1738 an Gegner und Befürworter alter kirchlicher Gebräuche aus dem protestantischen Raum so heftig miteinander, dass darunter auch das wirtschaftliche Leben litt, hier siedelten sich in einem ganz protestantisch gewordenen Gebiet im 17. Jahrhundert Minoriten an, die fleißig missionierten, für einen hohen katholischen Anteil an der Bevölkerung sorgten und eine katholische Pfarrei St. Bonaventura schufen, die außer Lennep auch Remscheid und Lüttringhausen umfasste. Heute wird in Lennep von einsichtigen Zeitgenossen aber wohl kaum noch geleugnet, dass nur im großen Stadtverband die Aufgaben der letzten Jahrzehnte lösbar waren. (aus: Remscheid so wie es war, von Dr. Gerd Courts, erschienen 1974 im Droste Verlag.)