von Carl Ferdinand Frantzen (1856 - 1938)
Während 1898 1900 alle Geschäfte sehr gut gingen, kaum Arbeitsleute genug zu erhalten waren, liegen seit Mitte 1901 die Geschäfte sehr danieder. Die Arbeitslöhne sind gefallen, desgleichen die Kohlenpreise. Arbeiter sind wieder mehr wie genug zu haben, und alle Welt klagt über sehr wenig Beschäftigung. Auch wir leiden darunter. Den zehnte Theil des Geschäftsumfanges von 1900 haben wir eingebüßt, und es ist noch nicht abzusehen, ob wir nunmehr wieder einer steigenden Richtung entgegengehen. Theilweise macht sich auch für uns eine sehr starke Concurrenz der benachbarten Brennereien fühlbar. Auch arbeitet die Polizeiverwaltung mit Hochdruck, durch vielerlei lästige Bestimmungen und strenge Aufsicht den Branntweinkleinhandel zu beschränken. Das beeinträchtigt natürlich unsern Absatz. Ich nehme aber an, dass die Verringerung unseres Geschäftes hauptsächlich durch den schlechten Geschäftsgang der Eisenindustrie verursacht wird und wieder verschwindet, sobald diese wieder einen flotten Geschäftsgang zeigt. Was seit Jahren nicht vorgekommen ist, muss heute festgestellt werden: dass nämlich seit zwei Jahren viele Arbeiter mit ihren Familien verzogen sind, so dass an Stelle des früheren Wohnungsmangel jetzt viele Wohnungen leer stehen. Wir sind für den jetzigen Bedarf an Branntwein wohl auch etwas groß eingerichtet und stehe ich vor der Frage, ob ich nicht die Arbeiterzahl um ein geringes verringern soll. Bis zum Sommer will ich damit aber noch warten. Hoffentlich ist es nicht nöthig. ( )
Seit der letzten Aufzeichnung (1903) sind nun schon wieder drei Jahre verflossen und ( ) ist zu berichten, dass sich das Geschäft in zufrieden stellender Weise weiter entwickelt hat. Auf die stillen Jahre 1901, 1902 und 1903 folgen einige Jahre des Aufschwunges. Eine am 1. Dezember 1905, in Folge sehr gestiegener Getreidepreise vorgenommene Erhöhung der Branntweinverkaufspreise um vier auf 72 Pfennig konnte, wenn auch unter lebhafter Opposition und verstärkter Anstrengung der Concurrenz, glatt durchgeführt werden. Die noch nicht abgeschlossene Bewegung in der Branntweinsteuergesetzgebung lässt zwar die Aussichten in die Zukunft nicht besonders rosig erscheinen. Jedoch hat mich das nicht abgehalten, in diesem Jahre an Stelle der Scheune und des Kontors einen Neubau zu errichten.
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