Quantcast
Channel: Waterbölles - Geschichte
Viewing all 2539 articles
Browse latest View live

12. August 1899: Kaiser Wilhelm II. besucht Remscheid

$
0
0

12. August 1899: Kaiser Wilhelm II. in Remscheid. Foto links und rechts: Reich geschmückt war die "Hesseninsel" auf dem Markt,; sie war in einen Lorbeer- und Palmenhain umgewandelt worden.

"Die Remscheider Industrie hatte bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine stürmische Entwicklung genommen. Die Stadt selbst war auf über 40.000 Einwohner angewachsen. Sie zählte an die 4.000 Wohnhäuser, fast 40 öffentliche Gebäude. Architektonisch bot sie keineswegs das Bild einer Industrie­stadt. Schon eher fühlte man sich bei ihrem Besuch in eine Land- oder Kleinstadt versetzt, in der die gegen Wetterunbilden mit Schiefer beschlagenen Fachwerkhäuser - schwar­zer Schiefer, weiße Fensterrahmen und grüne Fensterläden -vorherrschten. Zu einer Ansammlung von Mietskasernen war es nicht gekommen. Dafür fanden sich überall prächtige Ro­kokobauten als Hinterlassenschaft des 18. Jahrhunderts und hin und wieder - aber mehr wie Fremdkörper - massive Bau­ten der architekturgeschichtlich fragwürdigen Gründerjahre.

Mit diesem festlichen Aufbau am Markt und prunkvollem Schmuck an vielen Stellen der Stadt versuchten die Remscheider ihrem Kaiser den Besuch zu verschönen.Remscheid verfügte über Attraktionen: Talsperre, Straßen­bahn, Müngstener Brücke. In Remscheid lebten und arbeite­ten so berühmte Leute wie die Mannesmanns und die Bökers. Höchste Zeit eigentlich, dass Majestät sich einmal aus Berlin herbemühten. Am 12. August 1899 war es soweit. Remscheid lebte, glaubt man der Remscheider Zeitung von damals (52. Jahrgang, Nr. 194), in bebender Erwartung: »Vieltausend­stimmiger Jubel braust am heutigen Tage über die Höfe, durch die Täler unserer bergischen Heimath. Durchdrungen von dem Hochgefühl vaterländischer Begeisterung entbietet die Bevölkerung Remscheids und des ganzen Bergischen Landes Seiner Majestät dem Kaiser ihren ehrerbietigsten, herzlichen Willkommensgruß.«

In der Tat, kaisertreu waren sie, die alten Remscheider, und das, obwohl auch unter ihnen die Unzufriedenheit wuchs. Festschmuck an der der Remscheider Talsperre zum Besuch Kaiser Wilhelms II. am 12. August 1899Das Sozialistengesetz Bismarcks hatte das Anwachsen der Sozialdemokratie nicht verhindern können und war 1890 wieder außer Kraft gesetzt worden. Die schlechte Lage der arbeitenden Bevölkerung schürte das Missbehagen. Zehn bis zwölf Stunden lang musste täglich ge­arbeitet werden. Auch schulpflichtige Kinder waren einge­spannt. Gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit gab es keine wirksamen Versicherungen. Die Armen waren auf private Wohltätigkeit angewiesen. Wer öffentlich unterstützt wurde, verlor das Wahlrecht. Die Feilenhauer, Schleifer und Schmiede führten heftige Arbeitskämpfe. Doch als Wilhelm II. seine schon einmal abgesagte Visite in Remscheid endlich machte, schmückten die Besuchten für ihn nicht nur ihre Stadt, nein, die Schmiede grüßten besonders: »Der Hammer ruht! Im Schmuck der grünen Reiser will alles feiern unsren lieben Kaiser«. - Auch am Zielpunkt der kaiserlichen Besichtigungsfahrt, in der Nähe des Schlosses Küppelstein, stand ein Triumphbogen. Voll Stolz demonstrieren Handwerker, dass sie mit tausend Pfer­dekräften bei der Arbeit waren, um diese Grußpforte zu er­richten. (aus: „Remscheid so wie es war“, von Dr. Gerd Courts, erschienen 1974 im Droste Verlag.)

Auch am Zielpunkt der kaiserlichen Besichtigungsfahrt, in der Nähe des Schlosses Küppelstein, stand ein Triumphbogen. Voll Stolz demonstrieren Handwerker, dass sie mit tausend Pferdekräften bei der Arbeit waren, um diese Grußpforte zu errichten.„Es war die Zeit des Kaiserreiches, da stand der Kaiser ganz oben und man verehrte ihn. Des Kaisers Familie war da miteinbezogen; man kannte seine Kinder mit Namen. Alles das lernte man schon in der Schule, dort wurde auch der Nationalgedanke sehr gefördert. Aber zu Hause auch.“ - „Während meiner Schulzeit gab es zwei besondere Feiertage: des Kaisers Geburtstag (27. Januar) und die Sedanfeier (2. September). Die Schlacht bei Sedan von 1870 wurde in den Schulen noch immer gefeiert. Da mussten wir singen 'Siegreich wollen wir Frankreich schlagen, sterben als ein tapferer Held'. Kaiser Wilhelm II. auf Küppelstein.Dieses Lied kriegten wir schon als Kinder beigebracht, und wir sangen es mit Begeisterung. Am Geburtstag des Kaisers wurden wir Kinder fein angezogen, mit dem besten Anzug oder Kleidchen. Wir bekamen eine schwarz-weiß-rote Schleife um, und so aufgeputzt ging es in die Schule, wo eine Stunde lang gefeiert wurde. Die Klassenzimmer waren schön bekränzt und das Bild des Kaisers mit Hex dekoriert. Unser Lehrer musste eine Kleinigkeit erzählen vom Kaiser und was das für ein guter Mensch sei. Dann sangen wir Kinder 'Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin, und war es nicht so weit von hier, dann führ ich heut noch hin'. Und anschließend 'Heil Dir im Siegerkranz'. Danach konnten wir nach Hause gehen. Da waren wir glücklich, denn der Rest des Tages war schulfrei. Aus diesem Grund war der Kaiser für uns Schulkinder dann wirklich 'ein lieber Mann'."(aus: “…aber die Jahre waren bestimmt nicht einfach. Remscheider Zeitzeugen berichten aus Kindheit und Jugend“. Von Gerd Selbach. Herausgegeben von der Volkshochschule der Stadt Remscheid 1985.)


Aufzeichnungen einer rührigen Hausfrau von 1908

$
0
0

Schankwirtschaft um die Jahrhundertwende 1900.Eine rührige Hausfrau, Gattin eines Werkmeisters mit ca. 2.500 Mark Jah­reseinkommen, hat 1908 einmal aufge­schrieben, welchen Betrag sie benö­tigte, um ihre dreiköpfige Familie abwechslungsreich zu beköstigen. Kosten für Kartoffeln erscheinen nicht in ihrer Aufstellung, da sie die einge­kellerten aufbrauchte. Selbstge­machte Marmelade für die Butter­brote war ebenfalls vorhanden. Wenn ihre wöchentlichen Aufwendungen für Nahrungsmittel (23,81 Mark) auf ein Jahr hochgerechnet wird, ergibt sich eine Summe von rund 1.240 Mark. Diese Ausgabe, für Lebensmittel al­leine, muss als ein stattlicher Betrag angesehen werden, gemessen an den Einkommen, das die Mehrzahl der Remscheider bezog. Vergleichs­weise hat die Familie der besagten Haus­frau, bei aller offensichtlichen Spar­samkeit, aber noch recht gut gelebt. Denn auf die 23.102 in Remscheid steuerlich veranlag­ten Personen des Jahres 1910 verteil­ten sich folgende Brutto-Jahreseinkommen:

 

Einkommen

  

in Mark

Personen

in %

bis       1 200

11.933

51,7

1 200 - 1 500

 5.151

22,3

1 500 - 1 800  

 2.601

11,3

1 800 - 3 000

 1.903

  8,2

über     3 000

 1.514

  6,5


Beim Kartoffelsetzen im Frühjahr. Als Faustregel galt, drei Zentner pro Kopf einzukellern.Die zitierte Dame, deren Akribie dieser Einblick in den Magenfahrplan und die dabei anfallenden Kosten zu verdanken ist, teilte dann noch mit: „Wenn eine Hausfrau sich das Geld nur richtig einteilt und sich jeden Pfennig aufschreibt, so wird sie bald merken, dass sie mit 100 Mark im Monat nicht nur auskommen, son­dern noch etwas übersparen kann. Gibt sie z. B. samstags Kartoffeln mit Hering, so kostet sie das Gericht nur 30 Pfennig; mit Speck und Zwiebel­sauce oder gebackene Maccaroni mit Schinken nur 75 Pfennig.“ (…)

Anschreiben lassen:„Bald jede Arbeiterfamilie, auch wenn es sie heute geniert und sie nie arm gewesen sein will, war irgendwie in irgendeinem Geschäft in der Kreide. Es konnte kein Arbeiter-Vater, wenn sein Kind konfirmiert wurde, zur Ersten Kommunion ging, sich verloben oder verheiraten wollte, ihm etwas geben. Da musste dann irgendwo - und die meisten hat­ten auch jemanden - auf Abschlag ge­kauft werden. Es gab da Karteien, in denen die wöchentliche Rückzah­lung festgelegt war. In Remscheid waren es vorwiegend jüdi­sche Geschäfte. Alles, was aus der Reihe fiel, was aber dringend sein musste, wurde auf Pump gekauft. Ich weiß noch, dass mein Vater 20 Mark Wochenlohn nach Hause brachte, wovon aber 18 Mark sofort ausgege­ben werden mussten, die schon in den verschiedenen Geschäften in den Bü­chelchen standen. Das war früher so. Vater und Mutter gingen samstagabends los und kauften 'Wenkelswaren' ein. Die offenstehenden Beträge wurden dann beglichen, die Beträge für die neue Ware kamen in die An­schreibebücher. Das war aber für nie­manden diskriminierend; das war all­gemeine Handhabe damals."

Pfandhaus Kiwa Ritter:„Wenn zu Hause mal das Geld knapp war, wurde sich was unter den Arm geschnappt, und damit ging man dann in die Bismarckstraße zum Pfandhaus Kiwa Ritter. Da wurde es versetzt. Betten, Mobiliar, die Aussteuer wurden versetzt. Wertsachen wie Uhren und Schmuck hatten wir ja keine. Es wurde dann der Sonntags­mantel oder der gute Anzug weggebracht. Das ging zum Kiwa Ritter, wo man es später wieder einlösen konnte. Das ist oft passiert. Im Haus, in dem wir wohnten, wohnte auch eine Fa­milie mit zehn Kindern. Der Vater war Schleifer. Eines Tages, als die Frau mal wieder kein Geld hatte - es handelte sich immer nur um ein paar Tage bis zur nächsten Löhnung -, brachte sie den guten schwarzen An­zug ihres Mannes zum Kiwa Ritter. Abends kam ihr Mann nach Hause und erklärte, dass er am nächsten Mor­gen mit zur Beerdigung müsse, denn ein Arbeitskollege sei gestorben. Jetzt war Holland in Not. Die Frau kam zu unserer Mutter und bat um fünf Mark. 'Derr Jul mot met derr Liek goann, on ech hann denn guoden Aantog futtgedonn'. Mit dem Geld von unserer Mutter konnte sie das gute Stück dann einlösen. Der Kiwa Ritter nahm nur gute Sachen. Un­sere Mutter hat sogar unsere Aus­steuer dorthin gebracht, wenn sie im Druck war. Sie hat sie natürlich spä­ter wieder eingelöst. Es waren ja Sa­chen, die man im Augenblick nicht un­bedingt brauchte, für die man aber Geld kriegte in dem Moment, wo Not am Mann war."

"Aufzeichnungen einer rührigen Hausfrau von 1908" vollständig lesen

Die weltliche Schule, fast vergessene Schulgeschichte (1)

$
0
0
 „Greift zu!":„Wir besaßen einen Bollerwagen, das war einviereckiger Holzkasten mit Rädern drunter. Das wusste der Wunn, unser Rektor in der Osterbuscher Schule. ,Nimm dir noch zwei Mann mit, und dann holt ihr mir einen Zentner Kohlen'. Seine Wohnung war in der Buchenstraße. Da mussten wir nun vom Osterbusch in die Neuenkamper Straße gehen, bei dem Koh­lenhändler Eisenberg die Kohlen holen und sie in die Buchenstraße bringen. Danach ging es wieder zurück zur Schule. Unten beim Hausmeister, dem alten Schulte, Hände waschen, dann rauf in die Klasse. Oben ging der Wunn mit uns ins Rektorzimmer. Es ist traurig, was ich jetzt sage: Da legte der Wunn mitten auf den großen Tisch, den langen Verhandlungstisch, einen Pfennig. Wir Jungens mussten Abstand nehmen vom Tisch, dann sagte der Wunn: ,Greift zu.' Wer jetzt zugriff, der kriegte Senge, weil er hab­gierig war. Und wer nicht zugriff, der kriegte Senge, weil er den Pfennig nicht ehrte. Für jedesmal Kohlen holen kriegten wir Wichse. Dat darf märr ki'enem mi'eh vertäuen. Et es äwwer woahr. - Hat denn überhaupt jemand das Geld bekommen? - Nö, Gotteswil­len nicht. Es war doch immer derselbe Pfennig."

„Unruhige Zeitabläufe sind es, die unser Schulwesen fast allgemein be­einflussen", klagt der Remscheider Oberbürgermei­ster im Verwaltungsbericht für das Jahr 1921 und fügt ergänzend hin­zu: „Dieselben Gründe, welche das Verfassungswerk in Weimar noch zu Fall brachten, werden auch heute wieder der Hemmschuh zur Durch­führung des Schulgesetzes sein: Die Frage nach der Weltanschauung, der Festlegung einer Regel für die Aus­schaltung oder Beibehaltung des Reli­gionsunterrichtes in den Volksschu­len . . . Die Schuldeputation hat der Forderung der Schulaufsichtsbehörde Rechnung getragen, ohne die recht­liche Grundlage zu prüfen, und be­schloss die Einrichtung von Sammel­klassen bzw. von Sammelschulen. Die Absicht der Schulverwaltung auf bal­dige Durchführung scheiterte einst­weilen an dem Mangel gewillter Lehr­kräfte. Zwangsweise kann kein Lehrer zur Sammelschule überwiesen wer­den. Nach den Herbstferien . . . konnte die erste Sammelschule im Ge­bäude der Schule Stachelhausen (Honsberger Straße) mit zehn Klassen eingerichtet werden. Der bisherige evangelische Schulbezirk Stachelhau­sen musste aufgelöst und die Kinder auf benachbarte Schulen verteilt werden. Zu Ende des Schuljahres waren die Vorbereitungen soweit ge­diehen, dass zum Beginn des laufen­den Jahres (1922) die siebenklassige Sam­melschule Nordstraße und die zehnklassige Sammelschule Handweiser einge­richtet werden konnten. Die Ein­richtung dieser Schulen war nur mög­lich dadurch, dass sämtliche freien Stel­len mit Lehrern besetzt wurden, die zur Sammelschule überzugehen be­reit waren".

Zu den zahlreichen Erregungen des politischen Lebens, die mit dem Nie­dergang des Kaiserreiches verbunden waren, gesellten sich die Auseinander­setzungen um die Reform des Volksschulwesens. Der dadurch ent­standene Schulkampf war es, der dem pädagogischen Betrieb jene Unruhe bescherte, die im Verwaltungsbe­richt ihren Niederschlag fand. Dabei lässt der im amtlichen Sprachgebrauch gehaltene Text nicht einmal vermu­ten, dass „die Frage der Weltan­schauung" in Remscheid bereits zu Kampagnen geführt hatte, die, weil ideologischen Ursprungs - hie bürger­lich-klerikal, da proletarisch-klas­senkämpferisch -, an Emotionen und Leidenschaften nichts entbehrten. Die vom Oberbürgermeister beklagten be­deutenden „Störungen" im Schulbe­trieb waren aus den Halbherzigkeiten der neuen Schreibmaschinen-Unterricht an der Städt. Handelsschule an der Freiheitstraße.Gesetzgeber entstanden, aus der politischen Notwendigkeit, es al­len recht machen zu müssen. So ent­stand der Weimarer Schulkompromiss, mit dem am Ende nicht nur nie­mand mehr zufrieden war, sondern der auch Anlass gab, die Erstellung eines Reichsschulgesetzes zu behin­dern. Der Gesetzentwurf zum Reichsschulgesetz, der 1922 erschien, wurde dann auch als „die typische Frucht des Weimarer Kompromisses" ver­dammt; als „Verkörperung nicht des Fortschritts, sondern des Rück­schritts". Edwin Hörnle hat das Di­lemma treffend beschrieben: „Der Reichsschulgesetzentwurf geht von dem fundamentalen Irrtum aus, man könne den immer höher aufflammenden Schulkampf dadurch beseitigen, dass man hübsch demokratisch jeder Partei das Ihre gibt, nämlich: den Konfessionellen die Konfessions­schule, den Sektierern die Weltan­schauungsschule, den Freidenkern die Weltliche Schule und den Schiedlich-fiedlichen die Simultanschule. Dadurch soll die Schule vor dem Schicksal bewahrt werden, ein Ge­genstand des ,Parteigezänkes' zu werden. Diese Lösung bedeutet natür­lich in der Praxis nicht die Beilegung des Schulkampfes, sondern gerade das Gegenteil: seine Entfesselung in voller Breite."

Der eigentliche Konfliktstoff, der mit der Revolution seinen Auftrieb er­fahren und in ihr die lösende Kraft ge­sehen hatte, konnte auf eine beachtli­che Tradition zurückblicken. Bereits auf ihrem Gründungsparteitag 1869 in Eisenach hatte die Sozialdemokrati­sche Arbeiterpartei die „Trennung der Kirche vom Staat und die Trennung der Schule von der Kirche" gefordert. Diese Forderung kam in den nachfol­genden Jahren verstärkt zum Aus­druck in dem Maße, in dem sich der Einflusser Kirchen auf das öffentli­che Schulwesen ausweitete. Auf ihrem Parteitag in Mannheim 1906 ver­langte die Sozialdemokratische Par­tei Deutschlands schließlich die „Schaffung eines Reichsschulgesetzes auf der Grundlage der Einheitlichkeit und Weltlichkeit des gesamten Schulwesens."

 Der Direx:„Wenn ich nur bedenke, wie die Schüler heute mit den Lehrern umge­hen. Für uns war jeder Lehrer eine Re­spektsperson, da hätten wir nie ein böses Wort zu sagen gewagt. Ein­mal, nach einer Tanzstunde, standen wir noch - vier Mädchen und vier Jungen - am Bismarckturm im Stadtpark zusammen. Da kam der Schuldirek­tor Dinkier, unser Direx, mit seiner Frau vorbei. Wir grüßten sehr freund­lich. Dann sagte ich, jetzt wird es aber Zeit, dass wir gehen, sonst kriegen wir morgen in der Schule einen auf den Helm. Ach, sagten die anderen, was machen wir denn schon. Wir ste­hen doch nur hier und unterhalten uns. Und was meinen Sie, wir mussten am nächsten Tag alle zum Direktor kommen. Wenn ich bedenk, was das früher für eine Strenge war in der Schule! Wenn man nur mit den Pen­nälern zusammenstand, wurde man schon vom Direktor gefragt: ,Wusste dein Vater, dass ihr da oben standet'?"

Ein halber Kaiser:„Der Lehrer war zu unserer Zeit ein halber Kaiser. Die Respektsache, wie man sie jetzt erlebt, mit ‚Lass uns ,du' sagen’, das haben wir nicht gekannt. Wenn man den Lehrer irgendwo auf der Straße sah, ist man in einen Haus­eingang geschlichen, damit man ihn nur nicht grüßen musste und er uns nicht ansprechen konnte. Auch für die Eltern war der Lehrer eine Re­spektsperson, unbedingt."

Fortschrittliche Lehrer und nicht nur linksorientierte Eltern unterstützten diese Forderung und hielten sie über Jahre hinaus leben­dig. Kein Wunder deshalb, dass sie von der Revolution 1918 die Erfüllung ihrer Wünsche erhofften, ja es als eine Selbstverständlichkeit ansahen, dem weltlichen Staate die weltliche Schule als die Regel- und Normschule zu ge­ben. Gleichwohl musste, so argumen­tiert W. W. Wittwer, „das Motiv der Trennung von Staat und Kirche in der Novemberrevolution rasch Ausbrei­tung finden, weil sich für die nun zu­nächst entscheidende Bedeutung ge­winnende Arbeiterbewegung die Kir­chen mit ihrer monarchischen Tra­dition, mit ihrer allzu gefügigen An­passung an die dynastische und feu­dale, kapitalistische und militaristische Ordnung des alten Staates, mit ihrer alttestamentarisch nationalistischen Kriegstheologie vom ,deutschen Gott' und vom ,heiligen Krieg' stark bela­stet hatten." Es war also keineswegs überraschend, dass bereits der Regie­rungsaufruf des Rates der Volksbeauf­tragten vom 12. November 1918 Maßnahmen ankündigte, die die Freiheit der Religion gewährleisten sollten. Bekanntlich kam aber vieles ganz anders:

 

"Die weltliche Schule, fast vergessene Schulgeschichte (1)" vollständig lesen

Wochenrückblick vom 23. bis 29. Januar 2017

$
0
0

Die weltliche Schule, fast vergessene Schulgeschichte (2)

$
0
0

„Du höppiges Dier":„Einmal während meiner Schulzeit saß ich etwas schief in der Bank, weil ich am Hintern ein großes Blutge­schwür hatte. Beim besten Willen konnte ich mich nicht richtig hinset­zen. Da sagte die Lehrerin ohne viel zu fragen: ,Komm raus'. Ich musste mich übers Pult legen und dann hieb sie mir unbewusst mit dem Stock das Geschwür auf. Eiter und Blut liefen mir bis in die Schuhe rein. Ich bin nach Hause gerannt. Meine Mutter stand gerade vorm Waschküben und war am Waschen. Ihr Schottelduok woar naat. Sie nahm mich an die Hand, ab in die Schule. Die Lehrerin war gehbe­hindert. Da sagte meine Mutter zu ihr: ,Wat häs du höppiges Dier met mi'enem Jongen gemackt?' Da fing sie an zu weinen, sie habe vom Geschwür nichts gewusst. Aber meine Mutter war jetzt richtig in Fahrt: ,Wenn du dat noch es macks, hie am Dürenpool hang ech dech op'. Ich war froh, dass das Geschwür offen war und hatte keine Schmerzen mehr. Seit der Zeit konnte ich in der Klasse machen was ich wollte."

Die Volksschule Palmstraße (kath.) wurde 1914 fertiggestellt.Mit 1921, dem Jahr, in dem die ersten weltlichen Schulen aufgrund elterlicher Willenserklärungen einge­richtet werden sollten, eskalierte der Schulkampf; er schaukelte sich hoch an der bereits bekannten Polemik. Noch im Februar sprach der Remscheider Lehrerverein in einem öffentli­chen Aufklärungsabend sich für die Einführung der weltlichen Schule aus. Unter Punkt acht einer Erklärung wurde jedoch darauf hingewiesen: „Wie konfessionelle Fragen, gehört auch die Politik nicht in die neue Schule hinein."„Die Absicht der Schulverwaltung auf baldige Durchführung (Errich­tung von Sammelklassen bzw. Sammel­schulen) scheiterte einstweilen an dem Mangel gewillter Lehrkräfte", er­klärte Oberbürgermeister Hartmann. „Dass die Frage der weltlichen Schule in Remscheid nicht vom bösen oder guten Willen der Schuldeputation abhängt, sondern zu einer Lehrer­frage geworden war", musste auch die „Bergische Volksstimme" im Juli 1921 feststellen. Ohne hier die Einzelhei­ten zu berühren, die dazu geführt hatten, den guten Willen und die Ko­operationsbereitschaft des Remscheider Lehrervereins derart umzu­schwenken, verdeutlicht das Lehr­kräftedilemma, in welchem Maße die Politik Einfluss genommen hatte auf die weltliche Schule.

„Die weltliche Schule ist die Parteischule der Sozia­listen und Kommunisten", heißt es la­pidar in einer Leserzuschrift. „Das steht einwandfrei fest nach den Er­klärungen, die vor wenigen Tagen im Volkshaus abgegeben worden sind. Die Lehrer, die sich der weltlichen Schule zur Verfügung gestellt haben, ver­langen die Ausschaltung der Kommu­nistischen Partei. Das wurde von der V. K. P. D. nicht zugegeben. Es steht aber unumstößlich fest, dass die weltliche Schule der ,Freien Schulge­sellschaft' die Parteischule der Kom­munisten ist . . ."

Soweit war es inzwi­schen gekommen: Der Lehrerverein hatte sich distanziert und die „Freie Schulgesellschaft" sich kompromit­tiert. Zwei für die Idee der weltlichen Schule wichtige Tiägerschaften gingen schon vor ihrer Errichtung verloren bzw. hatten ihre Zugkraft für die Allgemeinheit eingebüßt. Als Gradmesser der Schulkampf­polemik, die ihr Ausmaß und ihre emotionale Heftigkeit mit beredten Zeugnissen widerspiegeln, gelten die vielen Leserzuschriften in den Ta­geszeitungen. Hier, je nach Neigung, war dann die Rede entweder vom „ro­ten" oder vom „schwarzen" Terror. Alle Register wurden gezogen. Sogar der „brave, biedere Arbeitsmann" kam mundartlich zu Wort: „Ming Blagen gönnt en die Schuol, an derr ech selwer woar, on uoch en die Kengerliehr; späder können se maken, wat se wellen. On Chressdag hann ech noch es met mi'enen Blagen ongerm Chressbuom all die netten, guoden Chressdagsli'eder derr Re'ih noa raffgesongen." Auch der „gute Rat an die Arbeiterfrau" fehlte nicht: „Ich weiß, wie Eure Männer auf der Arbeits­stelle, in Versammlungen usw. gequält und gedrängt und auch terrori­siert werden, so dass mancher schwach wird und gegen seine ei­gene Überzeugung etwas unter­schreibt . . ." Dem setzte die „Bergische Volksstimme" entgegen: „. . . In der Frage der Kindererziehung lassen sich die realen Tatsachen nicht aus der Welt schaffen, dass die herrschende Klasse mit ihren ganzen Machtmitteln ideologischer Art die Erziehung der Kinder zu wirklich freien Menschen zu verhindern trachtet . . . Erst in der kommunistischen Gesellschaft wird das Kind zu einem freien Menschen erzogen werden. Das Ideal der SPD-Lehrer sind Treibhauspflanzen, die nachher, wenn die Kinder in den Kampf ums Dasein treten, an der rauhen Wirklichkeit zugrunde gehen. Die KPD arbeitet darauf hin, schon jetzt dem Kinde die Voraussetzungen zu geben, die ihnen später ermöglichen sollen, den Widerstand der proletari­schen Klasse zu stärken und die kapi­talistische Klasse zu überwinden ..."

Nach diesem Einblick in die ideologischen Segnungen, die auf den Rücken der Kinder ausgetragen wur­den, bleibt noch die Frage nach dem Verhalten der Eltern. „Die freien Schulgesellschaften sind ihrem Wesen nach proletarisch", schrieb Studienrat Johannes Resch. „Wir sind uns dar­über klargeworden, dass die in den freien Schulgesellschaften erstandene Bewegung eine Klassenkampfbewe­gung ist ... (Aber) eine Anzahl Prole­tarier . . .  will von der unerbittlichen Konsequenz des Klassenkampfgedan­kens vorerst nichts wissen . . ." Diese Einstellung sollte sich eher noch ver­stärken, soweit sie sich auf die Wahl der Schulform für ihre Kinder bezog. In der Tat erreichte die Zahl der welt­lichen Schüler selbst in den besten Jahren mit nur knapp 15 Prozent aller volksschulpflichtigen Kinder ihre Spitze. Zwar verminderte sich durch den „Weltkriegknick" die Gesamtzahl der Volksschüler zwischen 1924 und 1929 um 6,5 Prozent, bei den weltlichen Schulen aber betrug die Verminderung fast 50 Prozent. Eine bemerkenswerte Diffe­renzierung der Arbeiterschaft hin­sichtlich der Gewichtung ihrer Inter­essenvertretung wird augenscheinlich, wenn dem minimalen Erfolg der welt­lichen Schuh das generelle Wahlver­halten gegenübergestellt wird. 1924 zum Beispiel (wie auch in den nach­folgenden Jahren), ob Stadtverordne­tenwahl, Landtags- oder Reichstags­wahl, stets war die KPD mit über 30 Prozent aller Stimmen (SPD rd. acht Prozent) die weit­aus stärkste Partei in Remscheid. Der geringe Erfolg der weltlichen Schule in dieser Stadt lässt darauf schließen, dass selbst die massivsten parteipolitischen Aktivierungsversu­che bei der Mehrzahl der Eltern ohne Resonanz geblieben waren. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch nicht, dass die diversen religiösen Elternschulvereine im großen und gan­zen erfolgreicher gewesen sein dürf­ten. Eher waren es praktisch-materielle Erwägungen, die das Verhalten der Eltern bestimmten.

Das Ergebnis der Elternbeiratswahlen im Jahre 1920 lässt diese Vermutung erhärten. Das Gros auch der linksorientierten Eltern beließ demnach seine Kinder in den konfessionellen Schulen, trotz Reli­gionsunterricht. Oder aber wegen des Religionsunterrichtes, wenn die Kin­der zur Ersten Kommunion gehen bzw. konfirmiert werden sollten, statt an der Jugendweihe teilzunehmen. Gleichgültigkeit gegenüber den For­derungen - von welcher Seite auch immer — ebenso wie die mit der Um­schulung oft verbundenen weiteren Schulwege, haben sicherlich eine Rolle gespielt, alles beim alten zu belassen. Das wichtigste Argument entsprang wahrscheinlich aus der Sorge um die Zukunft der Kinder. Die ste­tige Verminderung der Schülerzahl lässt darauf schließen, dass immer we­niger Eltern bereit waren, den Lebens- ­und Berufsweg ihrer Kinder durch den Besuch einer von der Bevölke­rung als „Parteischule" gekennzeichne­ten Schule zu belasten, deren poli­tische Gegner nicht selten Positionen innehielten, die zum Beispiel bei der Bewerbung um Lehrstellen ausschlag­gebend waren.

 Im Mai 1922 wurde von den Stadt­verordneten der SPD, USPD, KPD, KAG (Kommunistische Arbeitsgemein­schaft) gemeinsam die Errichtung weiterer weltlicher Schulen bean­tragt. Diese Forderung hätte aufgrund des bestehenden Mehrheitsverhältnisses - von 54 Stadtverordneten gehörten 32 den sozialistischen Parteien an - auch durchgesetzt werden können. Der Antrag wurde jedoch durch den überschätzten Zulauf bald gegen­standslos. Von den ursprünglich vier weltlichen Schulen, die Mitte der 20er Jahre über insgesamt 29 Klassen ver­fügten, wurde die kleinste - sie war in der Schule Schüttendelle unterge­bracht - zuerst aufgelöst. 1930, als die Schülerzahl der drei Schulen zusam­men knapp über 500 lag, wurde die Schule Nordstraße aufgelöst. Die beiden verbliebenen weltlichen Schu­len, Handweiser und Stachelhausen, traf das gleiche Schicksal im ersten Jahr des Dritten Reiches.  (aus: “…aber die Jahre waren bestimmt nicht einfach. Remscheider Zeitzeugen berichten aus Kindheit und Jugend“. Von Gerd Selbach. Herausgegeben von der Volkshochschule der Stadt Remscheid 1985.)

 

„Konfessioneller Streit:„Die konfessionell ausgerichteten Schulen lagen untereinander oft in Streit. So beschimpften sich die Schüler der evangelischen Schule Osterbusch und die Schüler der katholischen Palmschule gegenseitig. Riefen jene: ,Katholische Pfaffen, mit Eier gesaffen, mit Mehl gerührt, zum Teufel ge­führt', dann antworteten diese: ,Euer Pfarrer war der Thümmel und drum seid ihr alle Lümmel'. Als Kind hab ich das immer gehört. Man hat auch mit den Katholiken nie ver­kehrt. Auch die Blagen haben nicht miteinander gespielt. Die evangelischen waren für sich und auch die katholi­schen. Unsere Oma litt nicht, dass wir mit den Katholiken spielten. Sie rief uns dann rein ins Haus. Der alte Remscheider war eben so."

Die Vereinsschule:„In meinem dritten Schuljahr wurde die alte Gewerbeschule, in die ich ein­geschult worden war, anderen Zwecken zugeführt. Wir mussten nun in die Vereinsschule, die sich am Rathausplatz befand. Es war ein altes Schiefergebäude, das eine Dependance mit zwei oder drei Klassen an der Al­leestraße hatte. Die alte Vereinsschule war hygienisch unmöglich. Ihre Klassenräume wurden beheizt mit riesigen Kanonenöfen, die in der Mitte des Zimmers standen. An der hinteren Wand hingen bei schlechtem Wetter all die nassen Mäntel, Jacken und Mützen. Eine Garderobe gab es nicht. Das erzeugte eine fürchterli­che Luft; gasig und feucht, durch die Ausdünstungen. Und dann diese glühendrot-gestochten Öfen. Da gab es oft verbrannte Finger. Ich glaube, es gab kein Kind, das nicht mal mit der Hand an den Ofen gekommen wäre. Die Schule war als fast baufällig be­rüchtigt."

„Dat es gries, Frollein":„Zu Hause wurde nur Platt gespro­chen. Meine Mutter, die eine ,Hergeluopene' war, sprach Remscheider Hochdeutsch. Als ich am 1. Mai 1908 eingeschult wurde, gab es Schwierig­keiten mit der Sprache. Mit dem Hochdeutschen hatte ich Streit. Fräu­lein Schürmann, unsere Lehrerin, fragte: ,Welche Farbe ist das?' -,Dat es gries'. - ,Nein, das heißt auf Hochdeutsch ,grau'. - ,Nee Frollein, do mott ech äwwer i'esch ming Oma frogen',"

Erste Bank, Erster:„In unserer Schulklasse hatten wir noch die Sitzordnung. Jeder Schüler war daher bestrebt, vorne zu sitzen, denn unsere Lehrerin plazierte uns nach Leistung. Da hieß es dann: ,Setz dich eins rauf. Oder: ,Setz dich eins runter', wenn man Fehler gemacht hatte. Der Streit unter den Schülern ging um den Platz ,erste Bank, Er­ster.' Je schlechter man war, je weiter hinten saß man."

60 bis 70 Blagen: „1905 bin ich in die Schule Hölterfeld gekommen. Da saßen wir mit 60 bis 70 Blagen in einer Klasse. Da gab es nicht so kleine Klassen wie heute. Die Lehrer haben uns immer ein bisschen amüsiert, denn sie waren noch so altmodisch; altmodischer jedenfalls als wir. Die alten Lehrer hatten noch diese langen Gehröcke an. Die Leh­rerinnen waren ganz in schwarz. Sie hatten Kleider bis auf die Erde und waren zugeknöpft bis oben zum Kinn."

Für einen Wochenlohn noch nicht einmal ein ganzes Brot

$
0
0

Ein ganz hochbezahlter Stift:„Ich hatte einen Lehrvertrag über drei Jahre, beginnend 1922. Im ersten Lehrjahr sollte ich einen Monatslohn von 400 Mark bekommen. Als aber der erste Monat meiner Lehrzeit um war, da wurden mir schon 1.000 Mark ausbezahlt. In den folgenden Monaten bin ich ein ganz hochbezahlter Stift gewesen. Für lange Zeit musste ich mich auch mit zwei Koffern an der Bank anstellen und die Millionen- und Billionenscheine für unsere Firma an­nehmen. Ich ging bald ein über den anderen Tag, um Geld zu holen. Zu­letzt war es so, dass ich überhaupt kaum im Büro war, sondern meistens auf der Bank in der Devisenabtei­lung. Dort habe ich gewartet, bis die neuesten Dollarkurse rauskamen. Dann musste ich schnell an das nächste Te­lefon laufen und meiner Firma durchsagen, wie hoch der Dollar steht. Ich kriegte auch schon mal des Abends um zehn Uhr von unserem Buchhalter einen Scheck gebracht, mit dem ich am nächsten Morgen dann um sechs Uhr an der Bank stehen musste, um Geld abzuholen. Wenn die Bank um acht Uhr ihre Türen offen machte, dann gab es einen solchen Ansturm, weil hunderte Menschen da standen, dass die Türen dran glauben mussten. Es wurde aber immer nur ein Teil der Leute reingelassen, damit der Schalterraum nicht blockiert wurde."

Dann kommen astronomische Zahlen heraus:„Wir haben Ende 1922 geheiratet, in der schlechten Zeit. Mein Mann musste, da kann ich mich aber noch ge­nau dran erinnern, 6.000 Mark für un­sere Trauringe bezahlen. Weil wir nicht ausgebombt worden sind, habe ich auch noch die alten Rechnungen von unserer ersten Einrichtung. Glücklicherweise hatten wir mit der Wohnung keine Schwierigkeiten. Im Haus von meinem Bruder war gerade eine schöne Wohnung freigeworden, drei Zimmer: Wohnzimmer, Schlaf­zimmer und eine große Küche. Die Schlafzimmereinrichtung, zwei Betten mit Matratzen, zwei Nachttischchen, ein Spiegelschrank, eine Waschkom­mode und zwei Stühle kosteten zu­sammen 110.000 Mark. Im Wohnzim­mer hatten wir ein schönes Büfett, eine Anrichte, einen Tisch mit sechs Stühlen. Das kam zusammen auf 100.000 Mark. In der Küche hatten wir einen Schrank, einen Tisch mit vier Stühlen und eine Holzbank, da sagte man ,Remscheider Sofa' für, und ei­nen Herd. Die Küche machte insge­samt 105.000 Mark. Wenn ich Ihnen das mal alles zusammenrechnen würde, dann kommen schon für die nackte Einrichtung allein, ohne drum und dran, astronomische Zahlen raus."

Remscheider Notgeld.

Negative machtpolitische wie wirtschaftspoli­tische Faktoren waren Hand in Hand gegangen, so dass (nach dem Ende des ersten Weltkriegs) ein drastischer Verfall der Währung unausbleiblich folgen musste. Allein um die Kriegsführung zu finanzieren, kam es zwischen 1914 und 1918 zu einer ersten bedeutenden Geldmengenvermehrung, wobei der gesamte Geldumlauf im Reiche bei Kriegsende auf das Fünffache des Vor­kriegsvolumens gestiegen war. Einmal in Gang gesetzt, liefen die Banknoten­pressen auf Hochtouren weiter; am Ende gar, 1923, rund um die Uhr. „Die Zahl der für die Reichsbank arbeitenden Druckereien stieg 1923 auf 133 Be­triebe mit 1.783 Maschinen und über 3.000 Arbeitern. 29 galvanoplastische Anstalten lieferten 400.000 Druckplat­ten, und 40 Papierfabriken arbeiteten mit Hochdruck ausschließlich für die Herstellung von Banknoten. Nach Keller hat die Reichsbank 1923 nicht weniger als 47 neue Banknotentypen herausgebracht und insgesamt 10 Milliarden Geldscheine mit einem Nennwert von 3.877 Trillionen Mark gedruckt. Ab 3. November wurden täglich drei Trillionen 692 Billionen Mark gedruckt und güterwagenweise zu den Reichsbankstellen geschickt." (Walter Lorenz) Die Notenpresse war somit zur weit­aus wichtigsten Einnahmequelle des Reiches aufgerückt; insbesondere, um die Erblast, die Deutschland durch die Kriegsschuldzuweisung im Versailler Friedensvertrag übernehmen musste, abtragen zu können. Die astronomi­schen Summen, die von den Alliierten verlangt wurden, gingen über eine objektive Auslegung des Vertrages weit hinaus. Das Londoner Ultimatum setzte im Mai 1921 die deutsche Re­parationsschuld auf 132 Milliarden Goldmark, zahlbar in Raten, fest. Eine Reparationsplan-Kommission be­stimmte den Modus der Schuldentil­gung und überwachte seine Einhal­tung. Schließlich aber, das mußten sich auch die deutschen „Erfüllungspo­litiker" mit ihrem guten Willen zur Vertragstreue eingestehen, war das Reich überfordert, gleichzeitig zu verkraften: die eigenen Kriegs- und Kriegsfolgekosten, Gebietsverluste sowie Reparationsleistungen in Form von Sachlieferungen und Geld­aufwendungen.

Mit dem Beginn des Weltkrieges war eine inflationäre Tendenz der Reichsmark vorprogrammiert. Dass sie durch die Einwirkungen der genann­ten Ursachen solch absurdes Aus­maß annehmen würde, übertraf je­doch jedwede monetäre Erfahrung. Grob umrissen lassen sich Umfang und Tempo der Inflation, gemessen an der Parität der Reichsmark zum Dollar, so beschreiben: Es dauerte acht Jahre (Juli 1914 bis Juli 1922), bis die Mark auf ein Hundertstel ihres Vor­kriegswertes abgesunken war. Zum Absinken auf ein Millionstel brauchte sie (bis August 1923) nur noch 13 Monate. Ihr stärkster Verfall jedoch, auf ein Billionstel, vollzog sich in ei­ner Zeitspanne von nur drei Monaten. Am 15. November 1923, mit dem In­krafttreten der neuen Währung, der Rentenmark, konnte die Reichsmark bei einem Kurs von 4.200.000.000.000 Mark (in Worten: vier Billionen zwei­hundert Milliarden) für einen Dollar, stabilisiert werden. Alsdann war eine Billion Reichsmark gleich einer Vorkriegs-Mark und gleich einer Renten­mark.

Einen kleinen Einblick in das mone­täre Chaos, das sich bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt hatte, gewährt der RGA am 13. November 1923: „Zur Zeit haben wir in Deutschland fünf verschiedene Währungsformen: das noch immer gesetzliche Zahlungs­mittel der Mark, die trotz aller Ver­bote immer mehr in Übung kom­mende Zahlung in Devisen, die Gold­anleihe, die Dollarschatzanweisungen und schließlich noch die demnächst zur Auszahlung gelangende Renten­mark." Auf eine besondere Auswuchs­form der Geldwährung, das Notgeld der Fabriken und Städte, weisen an­dere Berichte - beispielsweise des RGA im Oktober 1922 - hin: „Ange­sichts des Mangels an flüssigen Zah­lungsmitteln hat, wie andere Städte, auch Remscheid eigenes Geld her­ausgegeben, und zwar zuerst am 15. Mai 1917." Handelte es sich dabei an­fangs noch um 25- und 50-Pfennig-Scheine, so ging die Stadt im No­vember 1918 dazu über, „Groß-Notgeld" herauszugeben in Form von 5-, 20- und 50-Mark-Scheinen. Im Herbst 1922 gelangten 500-Mark-Scheine zur Ausgabe. Diese waren Anlass zu einer humorigen Betrachtung in der „Stadtchronik" des RGA: „Rechts und links von der Zahl 500 ist eine dunkle und eine helle Kleider­bürste (oder sind es Seesterne?) mit weißen Borsten von oben gesehen abgebildet, die nochmals die Zahl 500 zeigen. Außerdem sind noch 20 weiße Gebilde zu sehen, die offenbar Schild­pattkämme vorstellen. Bürsten und Kämme sollen wohl auf die 'lausige' Zeit hindeuten. Dass beim Anblick die­ser Geldscheine irgendeine heftige Gemütsbewegung ausgelöst wird, zeigt vorahnend die Rückseite. Hier steht neben dem Wappen der Stadt Remscheid zu beiden Seiten der echte Remscheider Ausruf: 'O Donner­kiel!'. Dieser Ausruf ist bekanntlich bei dem alten Remscheider kein Fluch sondern ein Ausdruck der Überra­schung und des freudigen Erstau­nens, und wer sollte heute auch nicht froh erstaunt sein, wenn er plötzlich solch einen Schein in die Hand ge­drückt bekommt! Hoffen wir, dass bald bessere Verhältnisse einkehren und dass die Städte es dann nicht mehr nötig haben, sich mit der Ausgabe von Notgeld zu befassen."

Knapp ein Jahr später, im August 1923, heißt es im RGA: „Um dem großen Mangel an Zahlungsmitteln ab­zuhelfen, ist von dem zur Ausgabe genehmigten Notgeld eine Serie von Scheinen über 500.000 Mark be­schleunigt in einfacherer Ausführung fertiggestellt worden; sie wird heute, Samstag, zur Ausgabe gelangen. Die Scheine zeigen auf der Vorderseite neben den erforderlichen Angaben ein Abbild des den älteren Remscheidern wohlbekannten Johannishammers, auf der Rückseite ein Abbild unseres Rathauses. Auch auf den Scheinen über 100.000 Mark befinden sich Abbil­dungen mit heimatlichen Motiven. Die ersteren werden die Abbildung ei­nes in Betriebe befindlichen alten Hammerwerkes zeigen, die anderen eine Darstellung der Verbrüderung der Remscheider Industrie mit dem Handel." Es wurden 19 Typen Geld­scheine mit dem Nennbetrag von 500.000 steigend bis 10 Billionen Mark ausgegeben. Durch das zinslose Darlehen, was das Notgeld bot, ist es der Stadt einzig und alleine möglich gewesen, sich durchzuhalten. „Kaum hatten wir einen Geldschein herausgebracht", berichtet Oberbür­germeister Hartmann, „als er auch schon wieder überholt war. Die Druckerei hat Tag und Nacht arbei­ten müssen und konnte kaum beihal­ten."

Analog zur äußeren Entwertung der Reichsmark auf dem internationalen Devisenmarkt vollzog sich, wenn auch zeitlich nicht synchron, die innere. Im Gedächtnis derer, die sie miterlebt haben, ist die Inflation eingeätzt in Erinnerungen an erlittene Entbehrun­gen aufgrund drastisch angestiegener Lebenshaltungskosten ebenso wie an die gigantischen Geldmengen, die durch ihre Hände gegangen sind. „Der einzelne war diesem Geschehen hilf­los ausgeliefert", schreibt Walter Lo­renz. „Er war der Verlierer. Spargut­haben, Darlehen, Hypotheken, Schuld­forderungen, Kriegsanleihen usw. wurden wertlos. Löhne, Gehälter und Renten waren es nach wenigen Tagen ebenfalls . . . Wer es irgend konnte, flüchtete in Sachwerte. Jeder versuchte, eingenommenes Geld so rasch es ging wieder los zu werden; lieber kaufte man Sachen, die im Au­genblick gar nicht notwendig waren, ehe man das Geld verfallen ließ. . . . Sehr beliebt war auch damals schon der Tauschhandel. Wer Ware gegen Ware bieten konnte, war fein heraus, er brauchte sich nicht um Millionen und Billionen zu kümmern. Anderer­seits gab es natürlich auch in dieser Zeit Leute, die aus der Not der anderen einen Gewinn zu ziehen verstanden. Abgesehen von den wenigen Glückli­chen, die Schulden oder Hypotheken für einige Papierscheine abstoßen konnten, waren es die Schieber und Spekulanten. Wer Ware gegen Valuta ins Ausland 'verschieben' konnte, zog dies dem Verkauf gegen Papiergeld vor. Ausländische Spekulanten ström­ten zu Hunderttausenden ins Land und kauften für Spottgeld die Läden leer oder erwarben für wenige Valuta Häuser, Grundstücke, ja ganze Fabri­ken. Die ganze Entwicklung drohte im Herbst 1923 in eine Katastrophe aus­zuufern. Zur Geldentwertung gesell­ten sich Warenverknappung, Arbeits­niederlegungen, Streiks und Unruhen."

Im Laufe des Jahres 1923 kam es mehrfach zu Demonstrationen in Remscheid, die sich besonders gegen den Preiswucher richteten. Einkau­fende Frauen auf dem Wochenmarkt gingen von Stand zu Stand und sag­ten: „Kauft nicht, sondern versammelt euch am Denkmal." Die Menschen­menge, die jeweils dann zusammen­kam, postierte sich vor dem Rathaus und forderte immer wieder die Instal­lierung einer Wucherkommission mit dem Recht der Preisfestsetzung und der Warenbeschlagnahme bei Preis­treibern. Unter dem Eindruck einer solchen Demonstration, an der über 500 Personen teilgenommen hatten, sah ein Stadtverordneter sich gezwun­gen, vor dem Kollegium zu erklären: „Der Unmut der Bevölkerung über die unerhört hohen Preise für Le­bensmittel, Wäsche, Kleidung, Schuhe und andere notwendigen Be­darfsgegenstände gründet sich berechtiger Weise darauf, dass zwar alle Preise dem Steigen des Dollars rasch folgen, der Rückgang des Dollars zunächst keinen, später aber nur ei­nen zögernden Abbau der Preise zur Folge hatte. Die Schuld an diesen Vorgängen tragen weniger die Klein­händler als vielmehr die Erzeuger und Großhändler. Insbesondere sind es die Schieber, die als Schmarotzer am Mark des Volkes zehren." (aus: “…aber die Jahre waren bestimmt nicht einfach. Remscheider Zeitzeugen berichten aus Kindheit und Jugend“. Von Gerd Selbach. Herausgegeben von der Volkshochschule der Stadt Remscheid 1985.)

 

Schwarze Börse in Köln:„In der Inflationszeit war ich als Kontoristin tätig. Da hieß es, es gibt in Köln die schwarzen Börsen. Ich sagte zu meinem Chef: ,Da fahr ich mal hin'. In Köln musste ich mich erst vorsichtig durchfragen, wo man überhaupt Geld schwarz umtauschen konnte. Ich hab aber so 'ne Stelle ge­funden und mein Gehalt umge­tauscht. Seit der Zeit bin ich laufend hingefahren und hab mein Geld und das Geld meiner Kollegen in Dollar umgetauscht. Als die Zeit immer schlimmer wurde, bin ich mindestens zweimal in der Woche nach Köln ge­fahren. Für meinen Chef war das auch ganz nützlich. Nur für meinen Vater war das alles nicht in Ordnung. Er konnte einfach nicht verstehen, dass sein Geld immer weniger Wert hatte."

Für meinen Wochenlohn nicht mal ein Brot: „Neben dem Reichsgeld gab es noch Städtegeld und Firmengeld. Größere Betriebe, wie zum Beispiel das Alexan­derwerk, Mannesmann oder die BSI, hatten eigenes Geld. Damit konnte man in den Remscheider Geschäften kaufen. Das Geld war von der Firma unterschrieben, und sie musste für den Betrag geradestehen. Mit dem Stadt­geld war das schon so eine Sache. In manchen Städten nahm man das Geld anderer Städte einfach nicht an. Die böse Erfahrung hab' ich selbst ge­macht, als ich 1923 in Solingen be­schäftigt war. Meinen ersten Lohn dort bekam ich nach einer Woche, an ei­nem Freitag, ausbezahlt. Als ich am Lohntag spät abends nach Remscheid kam, hatten die Geschäfte natürlich schon zu. Als ich am Samstag spät nach Mittag wieder aus Solingen von der Arbeit kam, sagte meine Mut­ter: ,Hier, Junge, ist dein ganzes Geld. Ich kann es nicht loswerden, weil es Solinger Stadtgeld ist. Keiner will es hier nehmen. Du musst sorgen, dass du anderes Geld kriegst.' Jetzt war der Samstag verloren, der Sonntag auch. Montagmorgen in Solingen bin ich dann gleich zu meinem Chef gegan­gen: ,Hier ist mein ganzer Wochen­lohn; das ist Solinger Stadtgeld, das wird in Remscheid nicht angenom­men.' ,O Gott, wat send die i'erfeilig', meinte er auf Solinger Platt. Ich kriegte dann aber anderes Geld. Dienstagmorgen ging meine Mutter einkaufen. Man musste ja das Geld immer ganz schnell quitt werden, wegen der Entwertung. Und da kriegte sie, sage und schreibe, für mei­nen ganzen Wochenlohn noch nicht einmal ein ganzes Brot. Ich hab das meinem Chef erzählt, und wir ha­ben uns darauf geeinigt, dass ich mei­nen Lohn von nun an ein über den anderen Tag bekommen sollte, da­mit meine Mutter doch wenigstens et­was dafür kaufen konnte."

Hier erhalten, dort verloren gegangen:„. . . Da die Kapitalvermehrung etwa den 15fachen Betrag des Vorkriegskapitales ausmachte und die Umstel­lung von der Papiermark auf die Goldmark-Bilanz im Verhältnis von 15:1 erfolgte, so ist den alten Kom­manditisten ihre ursprüngliche Beteili­gung in Goldmark erhalten worden".  - „. . . Die Guthaben der Arbeiter- und Beamtenpensionskassen, welche in der Bilanz am 30. Juni 1919 noch mit etwa drei Millionen Mark ausgewiesen waren, wurden am 31. Dezember 1919 aus dem Geschäftsvermögen ausgeschieden und in ,mündelsicheren' Werten angelegt. Mit der Inflation, d. h. dem Staatsbankrott sind diese Werte leider verlorengegangen". ((Moritz Böker: Geschichte der Ber­gischen Stahl-Industrie)

Von einem Mann, der in Lennep viel bewegte

$
0
0

von Dr. Wilhelm R. Schmidt

Der Lenneper Baumeister und Architekt Albert Schmidt (1841-1932) berichtete in seinen privaten und geschäftlichen Erinnerungen mehrfach über die Entwicklung des Lenneper Stadtbildes in den 1880er Jahren. Dabei hob er immer wieder seine gute Zusammenarbeit mit dem seinerzeitigen Lenneper Bürgermeister Peter Eduard Ferdinand Sauerbronn hervor, dem er eine „eigenartige, kluge und geschickte Tätigkeit“ bescheinigte. Sauerbronn lebte von 1833 bis 1901. Nach seinem Regierungsreferendariat im hohenzollernpreußischen Sigmaringen (1864-1866) war er von 1872 bis 1897 Bürgermeister der Stadt Lennep. 1874 heiratete er in Lennep Caecilia Johanna Dorothea Clarenbach. Obwohl nach ihm eine repräsentative Straße in Lennep benannt wurde, ist über ihn heute kaum noch etwas bekannt.

Nach den Lebenserinnerungen von Albert Schmidt war der Lenneper Stadtrat für Bürgermeister Sauerbronn (Foto links) ein Instrument, auf dem er meisterhaft zu spielen verstand, nicht durch die Macht der Überredung, er ließ andere für seine Ideen kämpfen, sondern dadurch, dass er nichts vorbrachte, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass die maßgebende Mehrheit dafür war. Sauerbronn hatte das Glück, auf diese Weise eine Mehrheit im Stadtrat zu haben, die für alle Dinge der fortschreitenden Entwicklung zu haben war. Es fehlte auch damals zwar nicht an Opposition von Seiten der Konservativen, die jedem Fortschritt abhold waren, und auch nicht an Kritikern, die politisch fortschrittlich sein wollten, aber so manchen Fortschritt doch ablehnten, weil durch neue Einrichtungen Schulden gemacht werden mussten.  Diese Kommunalpolitiker, so Albert Schmidt, blieben aber bei allen großen örtlichen Fragen dank der Regierungskunst des Bürgermeisters in der Minderheit.

In der jahrelangen Zusammenarbeit in der städtischen Baukommission, welche für den Baumeister Albert Schmidt vierzehn Jahre lang auch mit den Funktionen eines Stadtbaumeisters verbunden war, hatte der Bürgermeister die Eigenarten der Technischen Mitglieder gründlich kennengelernt und wusste sie im Interesse der Stadt auszunutzen. Wenn er sonntags im Zylinder und Gehrock, von einigen Stadträten begleitet, Albert Schmidt in seinem Hause an der Knusthöhe einen Besuch machte, so wusste man, dass er nun versuchen würde, ihn zu irgend einem neuen Projekt, und natürlich mit der Betonung des städtischen und allgemeinen Interesses und Wohls, zu veranlassen.

Im Frühjahr 1885 erschien Sauerbronn an der Spitze einer Kommission, um dem Baumeister zu erklären, dass der Zugang zum Bahnhof durch die schmale Bahnhofstraße (die heutige Bergstraße) ungenügend  und eine direkte Verbindung des Bahnhofs mit dem Inneren der Stadt notwendig sei – durch die dadurch gewonnenen wertvollen Bauplätze sicher auch rentabel zu realisieren. Da der Stadtrat dafür aber nicht in Stimmung war, schlug der Bürgermeister dem Baumeister die spätere so genannte Kaiser-Straßen-Spekulation vor; die Stadt wolle ihm in jeder Beziehung behilflich sein, die Grundstücke in seinen Besitz bringen. Die Kosten für den Grunderwerb und Straßen bau sollten dann auf die zu gewinnenden Baustellen umgelegt werden. Sauerbronn schilderte das Vorhaben als ein äußerst rentables Geschäft, und da dieser damals nicht übermäßig beschäftigt war, erklärte er sich bereit, das Projekt in Angriff zu nehmen.

Man begann also, die heutige Bahnhofstraße (damals Kaiserstraße) und die heutige Düstergasse (damals ein Zeit lang Rathausstraße) zu bauen. Auch einige Wohnhäuser wurden dort schon errichtet. Und man war noch mit dem Straßenbau beschäftigt, da erschien der Bürgermeister Sauerbronn ,wieder in Gala, ein zweites Mal bei Albert Schmidt, diesmal in Begleitung des damaligen höchstrangigen Eisenbahnmanagers. Es sollte nun auch ein Eisenbahnbetriebswerk errichtet werden. Es hieß, man habe die Wahl zwischen Lennep und Remscheid und wollte dem Minister denjenigen Ort vorschlagen, der dafür entgegenkommenderweise ein Gebäude zur Verfügung stellen wolle. Die Eisenbahnverwaltung wollte das zwar nicht selbst bauen, da die weitere Entwicklung des Lenneper Bahnhofs abgewartet werden sollte, war aber geneigt, das Gebäude für sechs Jahre zu mieten und es alsdann anzukaufen, weshalb ein Vorkaufsrecht im Mietvertrag vorgesehen werden sollte.

Links sieht man das ehemalige Vereinshaus, das eine Zeit auch das Lenneper Alumnat beherbergte, über lange Jahre residierte hier später das RWE.Albert Schmidts Bemerkung, es wäre doch am einfachsten, wenn die Stadt selbst das Betriebsamt erbaue, wurde vom Bürgermeister als unmöglich zurückgewiesen, weil alles doch vorläufig und ein Provisorium sei. Die erworbenen Grundstücke an den neuen Straßen lägen sehr bequem für die Bahn, und es müsse doch dazu beigetragen werden, das Betriebsamt für die Kreisstadt Lennep zu sichern. Albert Schmidt erklärte sich denn auch bereit, das Gebäude auf seine Kosten nach dem Plan des Eisenbahninspektors zu erbauen. Ein Mietvertrag mit der Eisenbahn wurde abgeschlossen, aber so gefasst, dass der Erbauer wohl gebunden war, nicht aber die Eisenbahn, ihre ursprüngliche Absprache zu halten. Infolgedessen wurde das Gebäude nicht nach sechs, sondern erst nach zwanzig Jahren im Jahre 1906 für die ursprüngliche Vertragssumme von ihr angekauft, ein Verlustgeschäft für den Planer und in Vorleistung getretenen Erbauer. Auf ähnliche Weise, wie Albert Schmidt weiter berichtete, auch das so genannte Vereinshaus mit Alumnat und Versammlungssaal zuerst auf seine Kosten erbaut und dann vom Verein für Gemeinwohl übernommen.

Im Jahr 1890 sollte der Berliner Hof durch die Stadt für das Bezirkskommando angekauft werden. Bürgermeister Sauerbronn holte wieder einmal seinen Zylinder hervor und machte bei Albert Schmidt einen freundlichen Besuch, wobei u. a. mehr beiläufig erwähnt wurde, es wäre doch sehr bedauerlich, wenn der einzige Gasthof für bessere Reisende, der „Berliner Hof“, nun seiner eigentlichen Funktion beraubt werden sollte. Es wäre sicherlich ein glänzendes Geschäft, wenn ein neuer Gasthof auf dem Eckgrundstück dem Bahnhof gegenüber an der Kaiserstraße (heute Bahnhofstraße) errichtet würde, natürlich habe auch die Stadt Lennep Interesse an der Sache, da doch die Reisenden der besseren Stände, die die Stadt besuchten, die Gelegenheit haben müssten, angenehm zu logieren.

Die guten Aussichten auf Rentabilität, insbesondere wegen des angekündigten Fortfalls des Berliner Hofs, sowie die Bewertung des brachliegenden Grundstücks an der oberen Kaiserstraße veranlassten Albert Schmidt im Jahre 1890, mit dem Bau des „Kaiserhofs“ auf eigene Rechnung zu beginnen. Aber aus der Umwandlung des „Berliner Hofs“ in ein Bezirkskommando wurde nichts, so dass der „Kaiserhof“ nur wenige Logiergäste fand und die Mieteinnahmen kaum die Zinsen und Unkosten deckten. Der Baumeister war also wieder hereingelegt worden, so sah er es selbst, und hat nach jahrelangen Kämpfen mit den verschiedenen Mietern das Gebäude unter Selbstkostenpreis verkauft, da er es nicht ertragen konnte, „auf dem Wirtshausschild nach den gesetzlichen Bestimmungen als Herbergsvater zu figurieren.“

Man kann davon ausgehen, dass der Lenneper Baumeister und Architekt bei den hier von ihm selbst geschilderten Vorhaben nicht zum armen Manne wurde, da diese Verluste durch andere Aufträge in der Industrie Lenneps und an der Wupper ausgeglichen wurden. Insgesamt wird er als Generalplaner und Investor auch bei der genannten Kaiserstraßen-Spekulation unter dem Strich gut verdient haben, wenngleich er als zeitweises Mitglied des Städtischen Bauausschusses an öffentlichen Aufträgen nichts verdienen durfte. Vierzehn Jahre war er auch "nebenberuflicher", aber „funktionierender“ Stadtbaumeister der Stadt Lennep und begleitete in dieser Funktion bis 1889 den Lenneper Bürgermeister in dessen Plänen, bis eine hauptamtliche Stadtbaumeisterstelle eingerichtet werden konnte.

Die Anlage und der Ausbau der damaligen Kaiserstraße und der umliegenden Grundstücke in der so genannten Gründerzeit, insbesondere in den 1880er Jahren im Zusammenhang mit der damals notwendigen Stadterweiterung, die u.a. durch die steigende Bedeutung des Lenneper Bahnhofs begründet war, wurden zu einem Aushängeschild des wilhelminischen Lennep. Und diese Entwicklung wurde nach der Auffassung Albert Schmidts in erheblichem Maße durch die geschilderte „Eigenartigkeit“ von  Sauerbronn gefördert. Albert Schmidt formulierte hier: „Unser Stadtoberhaupt konnte alle diese großartigen Projekte, Verhandlungen und Vorarbeiten ohne besondere städtische Beamte vornehmen lassen, sein Stadtbüro bestand nur aus dem Stadtsekretär Albert Frielinghaus und einem Schreiber, heute würden dafür zwanzig Beamte notwendig sein.“

 

Wochenrückblick vom 30. Januar bis 5. Februar 2017

$
0
0

Zeitzeugen berichten über den Honsberger Bunker

$
0
0

Als der Waterbölles am 23. August 2009 über den „Bunker als Museum für Kino- und Luftschutzgeschichte auf Honsberg berichtete, war alles noch mit einem gewissen Fragezeichen versehen und Führungen durch den Bunker an der Siemensstraße eher die Ausnahme als die Regel. Inzwischen pflegt Markus Bertram, der 1. Vorsitzender des „Museumsvereins Kinobunker Remscheid“ geradezu ein Haus der offenen Tür, etwa bei Stadtteilführungen und Jugendprojekten. Das galt 2015 für das Filmprojekt „Zeitkapsel“ des Jugendzentrums „Kraftstation“. Und das gilt auch jetzt wieder für das Dokumentarfilm-Projekt „Kinobunker“ der Albert-Einstein-Gesamtschule. Markus Bertram, der in den vergangenen Jahren bei Besichtigungen die Adressen zahlreicher Zeitzeugen gesammelt hat, betätigt sich dabei gerne als „Türöffner“, und für die nötige technische Ausstattung sorgt Christian Beitz als Medienpädagoge der Kraftstation. Beide waren dabei, als gestern die aus neun Mädchen und drei Jungen bestehende Projektgruppe zusammen mit ihrer Lehrerin Rebecca Volke Medienvertretern ihr Vorhaben näher erläuterte.

Es ist ein ambitioniertes Projekt, das bis zur angestrebten Fertigstellung zu den Sommerferien noch manche Stunde Arbeit erfordern wird. Denn dass die von Bertram vermittelten Zeitzeugen zwischen75 und 90 Jahren viel zu erzählen haben werden, bezweifelt keiner der Beteiligten. Auch Klaus Schöneberger, der gestern als erster vor zwei Videokameras saß und interviewt wurde, hatte viel zu erzählen. Der 79 Jahre alte Modellbauer, der heute in Kremenholl wohnt und gerne Remscheider Platt spricht („Datt verstonnt die jungen Lück överhupt nie mie!“), wusste beispielsweise zu berichten, dass der 1940 erbaute Bunker in den letzten beiden Kriegsjahren auch als Schule diente („an richtigen Unterricht war aber nicht zu denken!“) und nach dem Krieg nicht nur als Kino, Box-Arena, sondern auch als eine Art Amateur-Varieté.

Um in dem Bunker einen Boxring aufbauen zu können, musste die Kino-Leinwand nach oben geklappt werden. Dann hatten in den großen Raum bis zu 300 Zuschauer Platz (zu ihnen soll einmal auch Max Schmeling gehört haben). Wenn das Wetter es zuließ, fanden Boxveranstaltungen aber auch auf dem Honsberger Sportplatz statt – mit bis zu 2.000 Zuschauern.

Das Varieté hatte die Projektgruppe gar nicht auf dem Schirm gehabt, wohl aber den Box-Club und das Kino (1946 bis 1960). Der erste Film, der dort gezeigt wurde, sei „Tom Mix räumt auf gewesen“, erzählte gestern Klaus Schöneberger. „Den habe ich vielleicht zehnmal gesehen!“ Und das Geld für die Kinokarte für 30 Pfennig habe er sich damals durch Schrottsammeln verdient.

Alles, was die Zeitzeugen zu erzählen haben, wird auf Video aufgenommen und soll erhalten bleiben (vielleicht interessiert sich ja auch das Stadtarchiv dafür). Die Hauptarbeit wird darin bestehen, aus der Fülle des Materials einen anschaulichen, interessanten Film von 20 bis 30 Minuten Länge zu komprimieren. Uraufgeführt werden soll er in der Kraftstation. Aber auch später wird er zu sehen sein. Christian Beitz: „Wir wollen ihn auf YouTube hochladen!“ (Sobald das geschehen ist, wird der Waterbölles den Link veröffentlichen).

Von sich aus waren die Schüler/innen nicht auf die Idee gekommen, dem alten Bunker und seiner spannenden und wechselvollen Geschichte ihre Freiheit zu widmen. Einige von ihnen hatten von der Existenz des Baus mit seinen meterdicken Betonmauern, im Kriege von einer Flak-Stellung mit Wuppertaler Oberschülern gekrönt, wie sich Klaus Schöneberger erinnerte, gar nichts gewusst, bis das Thema in der Schule plötzlich am Schwarzen Brett hing. Hintergrund: Für die Jahrgangsklassen 12 ist eine Projektgruppe Pflicht. Diesmal konnten sich die Schüler/innen zwischen insgesamt zehn Themen entscheiden, die zur Wahl standen. Der „Kinobunker“ sei eine Anregung der Kraftstation gewesen, verriet gestern Rebecca Volke, an der AES Lehrerin für Deutsch und Geschichte. Die Beschäftigung mit den Zeugnissen der Geschichte vor Ort soll für die Projektgruppe die Geschichte Remscheids (und letztendlich auch Deutschlands) erlebbarer und erfahrbarer machen. Neben dem Besuch des Bunkers und der Recherche (etwa im Stadtarchiv) geht es vor allem darum, Zeitzeugen zu befragen, die während der Kriegszeit und danach den Bunker erlebt haben. Diese Video-Interviews möchten die jungen Dokumentarfilmer gerne mit Dokumente und Fotos von damals unterlegen. Willkommen ist ihnen deshalb jeder Remscheider, der historisches Material oder eigene Erlebnisse zu dem Film beitragen kann (Tel. RS 420004 oder E-Mail medien@kraftstation.de">medien@kraftstation.de).

Auf Erkundung mit einem Remscheider Stadtführer

$
0
0

Freitag, 3. Februar, 19 Uhr
Erlebnisführung - Mit dem Nachtwächter durch Lennep.
Leitung: Lothar Vieler (Foto rechts). Preis: fünf €. Treffpunkt: Deutsches Röntgen-Museum. Anmeldung: C. Holtschneider, Tel. RS 7913052.

Fensterpaten für Röntgens Geburtshaus gesucht

$
0
0

Das erste rekonstruierte Fenster für das Geburtshaus von Wilhelm Conrad Röntgen, ausgestellt im Deutschen Röntgen-Museum.Die Bauarbeiten am Geburtshaus von Wilhelm Conrad Röntgen laufen auch auf Hochtouren. Nachdem bereits im vergangenen Jahr wichtige Außenarbeiten wie die Erneuerung des Dachstuhls und der Dachdeckung abgeschlossen werden konnten, rückt nun zunehmend der Innenausbau des Gebäudes in den Vordergrund. Damit das Geburtshaus spätestens Anfang 2019 eröffnet werden kann, bedarf es jedoch noch der weiteren finanziellen Unterstützung. Diese kann durch eine einmalige Spende oder eine Fördermitgliedschaft erfolgen. Oder aber durch eine Patenschaft für eines der nach historischem Vorbild rekonstruierten Fenster. Für jedes Fenster kann ab sofort eine Patenschaft übernommen werden. Egal ob von einer Einzelperson, einer Gruppe, einem Verein oder einem Unternehmen: Jede Unterstützung zählt. Alle Paten sollen auf einer Fensterplakette namentlich aufgeführt werden.

Insgesamt 22 Fenster sollen in den nächsten Wochen und Monaten auf den drei Etagen des Hauses verbaut werden. Dabei handelt es sich um nach außen öffnende Fenster, die außenseitig auf den Fachwerkbalken montiert sind und gemäß den historischen Vorlagen mit Einfachverglasung ausgeführt werden. Ergänzt werden die Außenfenster um innere Fenster, die alle Anforderungen an Wärme- und Einbruchschutz erfüllen. Die Kosten für die einzelnen Fenster reichen von 1.430 Euro bis 3.400 Euro.

Eine kostenfrei zugängliche Ausstellung im Erdgeschoss, Tagungs- und Konferenzräumlichkeiten im Obergeschoss sowie ein Gäste- und Stipendiaten-Apartment im Dachgeschoss sollen das Geburtshaus von Wilhelm Conrad Röntgen zu einem neuen Magneten und Orientierungspunkt für Öffentlichkeit und Wissenschaft machen. Rund eine Million Euro kostet die Restaurierung und Einrichtung des historischen Gebäudes. Dreiviertel der Finanzierungssumme sind bereits durch Spendengelder sowie Fördermittel des Landschaftsverbands Rheinland und der NRW-Stiftung zusammengekommen.  (Weitere Informationen: Geburtshaus-Wilhelm-Conrad-Röntgen-Stiftung e.V., Sandra Ermisch, Ernst-Reuter-Platz 10, D-10587 Berlin, Tel.: 030 916 070-29, E-Mail geburtshausroentgen@drg.de">geburtshausroentgen@drg.de.)

Kremenholler I-Dötze von 1926 und 1936

$
0
0

Zu den Unterlagen von Stadtführer Harald Neumann zum 1oo-jährigen Bestehen der Grundschule Kremenholl (15. Mai 2004) gehören auch einige historische Klassenfotos. Zwei sind an dieser Stelle abgedruckt. Das obere zeigt die Klasse der I-Dötze mit Lehrerin Kleinfeller im Jahre 1926 (also vor 90 Jahren), das untere die Einschulungsklasse mit Lehrer Meurer 1936 (also vor 80 Jahren).

Noch älteren Datums ist ein Brief, den Adolf Gärtner an das Remscheider Oberbürgermeisteramt schrieb - am 27. Februar 2014: „Am 20. Februar ist mein Sohn, der Schüler Walter Gärtner; auf dem Schulhofe der Kremenholler Schule dadurch verunglückt, dass ihm ein Fensterrahmen aus dem ersten Stockwerk auf den Kopf schlug. Mein Sohn hat erhebliche Verletzungen davon getragen. Für den entstandenen Schaden verlange ich Ersatz. Den Schaden berechne ich wie folgt:

  • 1. Für ärztliche Behandlung zwei Mark,
  • 2. Für Schmerzensgeld zehn Mark.
  • 3. Arbeitszeitversäumnis für mich und Entschädigung für meine Frau für ihre Gänge und besondere Bemühungen acht Mark.

Summa: 20 Mark. Um baldgefl. Erledigung bietet ergebenst Adolf Gärtner, Kremenholler Straße 70."

Remscheider Stadtführer rechnen für 2017 mit 150 Gruppen

$
0
0

Foto aus dem Programm 2017 der Remscheider Stadtführer.„Entdecken Sie Ihre Stadt! Die hügelige Landschaft, die zahlreichen Quellen und Bäche, der Wald und das Vorkommen von Eisenerz prägten die Entwicklung der Stadt Remscheid und machten sie zur Wiege der eisen- und textilverarbeitenden Industrie.“ So einladend beginnt das Jahresprogramm der Interessengemeinschaft Remscheider Stadtführer, das Claudia Holtschneider, Linda Kessler und Lars Johann gestern Abend im „Miro“ vorstellten. „Wir möchten Ihnen die vielfältigen Seiten unserer Stadt zeigen und Sie auf Bekanntes und Verborgenes aufmerksam machen. Wir erzählen Ihnen von den bergischen Menschen, ihrem Leben und ihrer Arbeit.“

In dem aktuellen Programm 2017, aus dem auch das nebenstehende Foto stammt,  finden sich zahlreiche unterhaltsame Führungen zu unterschiedlichen Themen der Remscheider Stadt- und Industriegeschichte. „Jede Führung hat ihren ganz besonderen Reiz“, versichert die inzwischen seit elf Jahren in wechselnder Zusammensetzung bestehende Interessengemeinschaft, die auch Mitglied im Bundesverband der Gästeführer Deutschland e.V. ist. Alle Führungen können auch als Sonder/Gruppenführungen mit den jeweiligen Stadtführern zu einem Wunschtermin vereinbart werden (www.stadtfuehrung-rernscheid.de, Claudia Holtschneider, Tel. RS 7913052, E-Mail c.holtschneider@via-temporis.de).

„Remscheid kulinarisch“ verspricht beispielsweise Lars Johann. Mit ihm geht’s auf einen Whisky in die Kultkneipe „Saxo“, für die ein oder andere bergische Spezialität ins „Miro“ und zum Ausklang in die „Erlebbar", die in Remscheid gerösteten Kaffee und Remscheider Bräu anbietet. Und als Nachtschwärmer verspricht auch Lothar Vieler  „wat zom eaten on zom drenken“ beim Gang durch die romantischen Gassen der historischen Altstadt von Lennep. Als Nachtwächter Gustav om Hackenberge ist Vieler stets ausgerüstet mit Laterne, Hörn und Hellebarde. In Zylinder, Gehrock und Gamaschen zeigt auch in diesem Jahr wieder Harald Blondrath alias Herr Röntgen „seine Stadt“ Lennep, in der er geboren wurde und deren Ehrenbürger er ist. Auf den Spuren der Tuchmacher bewegt sich Harald Fennel als Königlicher Kommerzienrat Hermann Hardt. Der Tuchmacher und Mitinhaber der Tuchfabrik Johann Wülfing & Sohn lebte in Lennep Ende des 19. Jahrhunderts.

Von der Möglichkeit der Sonderführungen machen gerne Familien, Unternehmen (Geschäftskunden, betriebl. Weihnachtsfeiern), Partnerschaftsvereine, Schulklassen (aktuelle und ehemalige) sowie Lehrerkollegien Gebrauch, wie Linda Kessler gestern berichtete. Insgesamt veranstalteten die in der  Interessengemeinschaft zusammengeschlossenen zehn Stadtführer im vergangenen Jahr 58 offene Führungen, etwa 40 für auswärtige Besucher und jeder einzelne noch einmal sechs private, zusammen also noch einmal 60. Macht zusammen mehr als 150. Und mit so vielen rechnet Lars Johann auch in diesem Jahr wieder.

 

Der Park mit seinen Grotten war eine Attraktion

$
0
0

Die Vorderansicht der Villa.Die Villa war um 1840 in einem 15.000 Quadratmeter großen Parkgelände erbaut worden. In einem Stil der Neo-Renaissance, etwas Klassizismus, etwas Historismus.  Das Anwesen wurde von Anfang an als Hotel und Restaurant genutzt, dies ist auch aus dem Zuschnitt der Räume erkennbar. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Villa Goldenberg zum exklusiven Treffpunkt, nicht nur für die vermögenden Hammer- und Stahlwerkbesitzer im engeren Umfeld, dem Diepmansbachtal, dem Morsbachtal, dem Gelpetal, der Ibach, Lüttringhausen und Ronsdorf, sondern auch für den damaligen Geldadel aus Remscheid, Elberfeld und Barmen. Hierher lud man seine honorige Kundschaft zu exklusiven Bällen, Konferenzen und Geschäftsessen ein.

All die Jahre bis zum Ende des Ersten Weltkrieges mit seiner militärisch geprägten Gesellschaftsstruktur und seinen Hammer- und Stahlwerkbesitzern bescherten der Villa Goldenberg, der Villa auf dem goldenen Berg, eine gute Zeit. Die umliegenden Werke, die fast alle Stahl verarbeiteten, machten glänzende Geschäfte. Als Treffpunkt des Geldadels und als Vergnügungsstätte bekam das Haus damals im Volksmund den Zusatz „Villa“. Sie war zunächst weniger für die Sonntagsausflügler gedacht, dies kam erst später nach 1900. Doch eine Attraktion für Kind und Kegel wie zum Beispiel „Zum Zillertal“ wurde die Villa jedoch nie.

"Der Park mit seinen Grotten war eine Attraktion" vollständig lesen

Wochenrückblick vom 13 bis 19. Februar 2017

$
0
0

Februar 2007: Der Waterbölles blättert zurück

$
0
0

 Bei Klick vergrößerte Darstellung in zweitem Fenster

Das war „Besucherrekord“: Rund 70 Bürger aus dem Gebiet Überfelder Straße/Auf dem Knapp nahmen vor zehn Jahren an der Sondersitzung der Bezirksvertretung Süd teil, um gegen den Plan der Stadtwerke zu protestieren (Stein des Anstoßes), die Buslinie 665 einzusparen und stattdessen für die Linie 664 die Straße 'Auf dem Knapp'' durch Ausbau eines Fußwegs zur Bussonderspur mit der Ueberfelder Straße zu verbinden. Die werde bei 80 bis 100 Omnibusse pro Tag „zur Staufalle“, befürchteten Anlieger damals. Heute längst kein Thema mehr!

Vor zehn Jahren meldeten sich Anwohner der Bismarckstraße zu Wort, die hatten Angst vor Spannern, die ihnen in die Fenster ihrer Schlafzimmer blicken könnten. Das hatte mit dem „Nordsteg“ zu tun, den der Bauausschuss im Februar 2007 in Auftrag gab. Wie hoch würde die Fußgängerbrücke werden. Hoch genug, um von ihr aus bequem in die Fenster neben liegenden Häuser blicken zu können? Auch für diesen „Aufreger“ galt: Alles wurde gut.

An Begriffe wie „Rasenrampe“, „Florentinische Treppe“ und „Bastion“ mussten sich die Remscheider vor zehn Jahren erst noch gewöhnen. Im Bauausschuss zeigten im Februar 2007 Landschaft- und andere Architekten auf, wie das Bahnhofsgelände mit „Kaufland“ und P&R-Parkhaus bis 2008 aussehen soll (Foto rechts).

Vor zehn Jahren präsentierte der Remscheider Seniorenbeirat de Auswertung der 2000 Fragebögen, die er Ende August 2006 an ältere Mitbürger/innen verteilt hatte, um ihre Wünsche für ein Leben und Wohnen im Alter zu erfahren. Remscheids Senioren seien aktiver, als es manchmal den Anschein habe, war damals das Fazit von Erika Schmitz. Als Verbesserungsvorschläge hinsichtlich Wohnsituation/Wohnumfeld hatten die Senioren am häufigsten fehlende Aufzüge, fehlende bzw. mangelhafte Einkaufsmöglichkeiten sowie unzureichende Busverbindungen genannt.

Gedruckt auf Papier und gebrannt auf CD präsentierte die Stadt Remscheid vor zehn Jahren ihren neuen „Migrationsatlas“. Demnach hatten von den 119.048 Einwohnerinnen und Einwohnern am 31.12.2005 ein Viertel (25,3 Prozent = 30.177) einen Migrationshintergrund. Davon waren 14,5 Prozent Ausländer, 9,2 Prozent Deutsche mit einem zweiten Pass und 1,6 Prozent Eingebürgerten. Die türkisch-stämmigen Einwohner stellten mit 8,6 Prozent der Bevölkerung die größte Migrantengruppe Gruppe.

Seit Frühjahr 2006 suchte die Stadt für ihre Altenheime einen „strategischen Partner“. Im Februar 2007 stellte sich den Mitgliedern des städtischen Betriebsausschusses ein erster Kandidat vorgestellt, die Bergische Diakonie Aprath. Für einen Verkauf der Altenheime hatte sich zuvor die Wählergemeinschaft W.I.R. stark gemacht. Und dazu kam es dann später auch.

Zwei Wochen nach dem Orkan „Kyrill“, im Februar 2007, hatte der Forstbetrieb des Wupperverbandes die Uferwege an den Talsperren des Verbandes weitgehend von umgestürzten Bäumen befreit. Ausnahme: An der Bever-Talsperre war der Wanderweg weiterhin nicht begehbar, weil die Holzfällbetriebe mit der Arbeit nicht nachkamen.

Ein Zug des „Müngsteners“ im, Februar 2007 nachts bei Sturm gegen einen auf die Gleise gestürzten Baum , entgleiste und fuhr in die Böschung.

Die Mitarbeiter des Archiv konnten damit beginnen, die Archivbestände im alten Domizil an der Honsberger Straße zu verpacken: Im Kulturausschuss teilte die Verwaltung im Februar 2007 mitgeteilt, dass der Mietvertrag über die ehemalige Aldi-Filiale an der Hastener Straße unterschriftsreif sei. Die vor dem Umzug des Stadtarchiv nötigen Umbauten (Einbruch- und Brandmeldeanlage, Raumluft- und EDV-Technik) seien abgestimmt.

Zwei Schüler der Alexander-von-Humboldt-Realschule wurdenim Februar 2007 auf Beschluss der aus Lehrern, Eltern und Schülern bestehenden „Schulkonferenz“ der Schule verwiesen. Im Dezember 2006 hatten sie im Internet die Tötung von vier namentlich genannten Lehrern angekündigt und waren daraufhin vom Amtsgericht Remscheid – ruckzuck - wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ (§ 126 StGB) zu je drei Wochen Dauerarrest verurteilt worden. Die Strafe mussten sie sofort antreten. Die beiden Luftgewehre, acht Kleinwaffen sowie ein Jagdmesser, die bei einem der Beschuldigten gefunden worden waren, wurden vom Gericht eingezogen.

Die „Stolpersteine des Kölner Künstlers Günter Demnig erinnern an „die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig erhält“ Knapp 50 dieser metallenen Erinnerungen an die schwärzesten Jahre der Geschichte Deutschlands wurden von Dezember 2005 bis Februar 2007 in Remscheid verlegt. Dann folgten weitere. Der Aktionskreis schätzte damals die Zahl der in der Nazi-Zeit umgekommenen Remscheider Juden auf ca. 170, die der politischen Widerstandskämpfer auf 30 bis 50. Wie viele Remscheider Sinti, Roma, Homosexuelle oder Behinderte umgekommen sind, ist bis heute nicht bekannt.

Vor zehn Jahren kündigte die evangelische Stadtkirchengemeinde an, ihr Gemeindehaus auf dem Honsberg in dreieinhalb Jahren schließen zu wollen. Die damalige Idee, das Haus von Pfarrer Hans-Günter Korb für Gemeindezwecke herzurichten, wenn dieser in vier Jahren in Pension geht, brauchte zum Glück nicht lange verfolgt zu werden. Die, einen „Neuen Lindenhof“ zu bauen, war weit besser.

Nach einem ZDF-„Länderspiegel“ über „Zocken in Hagen“, das zu 700 Millionen Euro Schulden gefürt hatte, betonte im Februar 2007 im Finanzausschuss in Remscheid Stadtkämmerer Jürgen Müller, ein solches „Zinsmanagement“ mit Swaps sei unter den kreisfreien Städten absolut üblich. Die Kommunalaufsicht habe da auch keine Bedenken. Insgesamt habe die Stadt Remscheid mit „Zinssicherungsinstrumenten“ 2006 einen Gewinn von einer Million Euro gemacht. Dass es unterm Strich ein Verlust von rund 20 Millionen Euro war, der Müller sein Amt kostete, stellte sich erst später heraus.

Weil die Stadt Remscheid sparen müsse, werde es in manchen Wohnungen dunkler, berichtete der Waterbölles im Febuar 2007. Denn die Straßenbaume dürften nunmehr ungezügelter in den Himmel wachsen. Weil die Stadt einen Baumschnitt nur noch dann vornehme, wenn er zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit unverzichtbar sei. Das hatte ein Schriftwechsel zwischen dem Beamten-Wohnungsbauverein e.G. Remscheid-Lennep und der Stadtverwaltung ergeben.

Elf Jahren und vier Monaten war der gebürtige Remscheider Rolf Söhnchen Direktor des Remscheider Amtsgerichts. Am 27. Februar 2007, seinem 65. Geburtstag, ging er in den Ruhestand (Nachfolger: Paul-Dieter Dudda). Bevor Rolf Söhnchen 1995 als „Chef“ nach Remscheid kam, war er Richter in Wuppertal und Direktor am Amtsgericht Mettmann.

Mit einem Blumenstrauß verabschiedete Bezirksvorsteher Bernd Quinting (CDU) vor zehn Jahren in der Bezirksvertretung Alt-Remscheid Christel Herrmann von den Grünen. Sie und ihren Ehemann Jochen, langjähriger Lokalredakteur des RGA, zog es damals in die Bretagne.

Floris M. Neusüss, der Lehrer der „lichtreichen Schatten"

$
0
0

Der Remscheider Künstler Klaus Küster und Floris M. Neusüss, von 1972 bis 2002 Professor für experimentelle Fotografie an der Kunsthochschule in Kassel, der am 3. März 80 Jahre alt wird, haben neben dem künstlerischen Interesse an Fotogrammen (der direkten Belichtung von lichtempfindlichen Materialien) noch etwas gemeinsam: sie sind gebürtige Lenneper.

Auf der Suche nach Fachliteratur über Fotogramme stieß Küster im Jahre 1970 auf den Namen von Floris M. Neusüss. Doch es dauerte bis 1991, bis sie sich kennenlernten. Anlass war die Brüsseler Ausstellung „Das Fotogramm in der Kunst der Gegenwart in Europa“, an der sich beide mit Arbeiten beteiligt hatten, ohne vorher von der Teilnahme des anderen gewusst zu haben. Seitdem haben die beiden Lenneper den Kontakt nicht mehr abreißen lassen.

von Klaus Küster

Floris M.Neusüss wird 80 Jahre alt. Am 3. März 1937 wurde er in Lennep geboren. Aus seiner Schulzeit gibt es aus dem Jahre 1953 eine von ihm – der damals noch Schüler am Lenneper Röntgen-Gymnasium war – aufgenommene Fotografie, welche ein hochformatiges schwarzes Rechteck zeigt, in dem wenige weiße Linien andeuten, dass es sich um eine Tür handelt, die einen Spalt breit geöffnet ist. Die Tür selbst ist ebenso wenig zu sehen, wie der Raum, in dem sie sich befindet. Nur das Licht, in diesem Falle ein intensives Gegenlicht, lässt uns den Schlüssel finden, den unsere Erfahrung und unsere Phantasie bereithält, um uns die Räumlichkeit der Dinge zu erschließen. Diese nur auf Lichtlinien reduzierte Aufnahme wirkt heute auf mich wie ein früher Auftakt zum großen Licht-Opus dieses Künstlers, der wie kein anderer die Kunstgeschichte der letzten Jahrzehnte als Lichtbildner, Forscher, Lehrer und Historiker der Fotogramm-Thematik bereichert hat. Noch als Schüler machte er 1954 in der Foto-Arbeitsgemeinschaft des Röntgen-Gymnasiums seine ersten Erfahrungen mit der Fertigung und Gestaltung von Fotogrammen. Noch bis zum 5. März ist im „ Zentrum für Kunst und Medientechnologie“ (ZKM) in Karlsruhe die Ausstellung „Floris Neusüss und Renate Heyne: Leibniz´Lager  Sammlunswelten i Fotogrammen“ zu sehen.

Klassische Fotogramme sind Bilder, die durch Belichtung ohne Fotoapparat in einer Dunkelkammer entstehen. Der Schatten eines kurzzeitig beleuchteten Objekts bleibt hierbei auf einem lichtempfindlichen Papier (fotografisches Material) nach dem Entwicklungs- und dem nachfolgenden Fixier-Bad als weiße Silhouette, ja als die Spur des Objekts in dunklem Umfeld erhalten. Zum Vergleich denke man z.B. an die helle Spur eines Kleidungsstückes im geröteten Hautumfeld nach einem Sonnenbrand. Die Fotogramm-Methode entstand am Anfang der Fotografie-Geschichte. William Fox Talbot praktizierte sie um 1834-1835 in seinen „photogenischen Zeichnungen“ indem er Pflanzenteile auf – zuvor in einer Silbernitrat-Lösung lichtempfindlich gemachte – Papiere legte und diese dann belichtete.

Interessierte Besucher der städtischen Galerie in der Scharffstraße nahmen 1998 die Gelegenheit wahr, einen umfangreichen Querschnitt aus dem Fotogramm-Schaffen von Floris M. Neusüss kennenzulernen. In der Graphothek der Remscheider Stadtbibliothek kann man immer noch Werke von Floris Neusüss gegen ein kleines Entgelt für drei Monate ausleihen.Neusüss begann sein Studium mit Wandmalerei bei Ernst Oberhoff an der Wuppertaler Werkkunstschule (einen Studiengang Fotografie gab es damals in Wuppertal noch nicht). Es folgten weitere Studien an der Bayrischen Staatslehranstalt für Fotografie bei Hanna Seewald in München und bei Heinz Hajek-Halke an der Hochschule der Künste in Berlin. Seine zwischen 1958 und 1960 in München entstandene früheste Werkgruppe ist noch weitgehend von der Kamera-Fotografie geprägt. Sie umfasst Belichtungsmontagen mit großer Kamera, Doppelbelichtungen auf Glas-Negativen, Landschaften und Portraits. Ab 1960 entstanden in München, Wien und Berlin seine ersten 2,60 m hohen, lebensgroßen Körperfotogramme. Sie beeindruckten L. Fritz Gruber so sehr, dass er diese Aufsehen erregenden Arbeiten 1963 auf der Kölner Photokinau präsentierte. Von 1972 bis 2002 war Neusüss Professor für experimentelle Fotografie an der Kunsthochschule in Kassel.

"Floris M. Neusüss, der Lehrer der „lichtreichen Schatten"" vollständig lesen

Wochenrückblick vom 20 bis 26. Februar 2017

$
0
0

Wochenrückblick vom 27. Februar bis 5.März 2017

$
0
0

Wochenrückblick vom 6. bis 12. März 2017

$
0
0
Viewing all 2539 articles
Browse latest View live