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Sensenschmiede waren die Vorfahren vieler Remscheider

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Eine Hauptstätte des Bergischen Sensenhandwerks im 17. und 18. Jahrhundert war der Breitenbruch im Morsbachtal. Im Hintergrund das ‚Brausholz‘, der wichtigste ‚Kohlenwald‘ der Sensenschmiede. Foto: SchmidtDie Kerntruppe des Sensenhandwerks bildeten die Schmiede. In vierjähriger Lehrzeit mussten sie sich die Kunstgriffe des Handwerks aneignen und zum Schluss ihr Meisterstück im Beisein verschiedener Ratsmänner anfertigen. Nach altem Handwerksbrauch hatten sie mit drei Hämmern und in drei „Hitzen" eine Sense, eine Sichte oder ein Strohmesser fehlerfrei zu schmieden. Fiel das Werkstück zur Zufriedenheit der Handwerksvertreter aus, so wurde der junge Schmied nach Ablegung des Verbleibungseides in die Bruderschaft aufgenommen. Gewöhnlich schritt er dann auch bald zur Verheiratung und machte sich selbstständig, indem er selbst eine Schmiede errichtete oder die Werkstatt seines Vaters übernahm. Als selbstständiger Meister erhielt er denselben Anteil an der Produktion zugemessen wie die übrigen Handwerksgenossen. Manchmal blieb aber auch der junge Mann nach vollendeter Ausbildung, sei es aus Mangel an Mitteln oder aus anderen Gründen, noch jahrelang in der Schmiede seines Lehrherrn oder eines anderen Handwerksmeisters. Dann wurde ihm als „Meisterknecht" eine halbe Gebühr zugeteilt, d. h. es durfte dann in dieser Werkstatt das anderthalbfache der früheren Menge hergestellt werden, wobei der Meisterknecht von der ihm zugebilligten Warenmenge den Gewinn zog. Als man im Jahre 1645 den Inhabern der Sensenhämmer eine doppelte Gebühr bewilligte, suchte man den Einwendungen der Handschmiede dadurch zu begegnen, dass man den mit einem Meisterknecht arbei­tenden Genossen ebenfalls erlaubte, an Stelle der anderthalbfachen die doppelte Warenmenge herzustellen. Eines der wichtigsten Ziele der Zunft war, allen Mitgliedern ein möglichst gleichmäßiges Einkommen zu sichern. Trotzdem gab es schon in den ersten Jahrzehnten unbemittelte Schmiede, die nicht in der Lage waren, Eisen, Stahl und Kohlen zu bezahlen. Andere Schmiede, die keine Söhne hatten, waren alt und schwach geworden und konnten bei weitem nicht mehr das Arbeitsmaß bewältigen wie zur Zeit ihrer Vollkraft. Um diesen Leuten eine Lebensmöglichkeit zu bieten, wurde bestimmt, dass die leistungsfähigeren Meister für ihre alten und unbemittelten Genossen eine halbe Gebühr übernehmen dürften. Etwas Näheres über die Art der Verrechnung erfahren wir zwar nicht; es unterliegt aber keinem Zweifel, dass den arbeitsunfähigen Schmieden eine bestimmte Vergütung zuteil wurde.

Die von der Sensenzunft erstrebte brüderliche Gleichheit aller Handwerksgenossen war ein schöner Gedanke, der aber in der harten Wirklichkeit auf unüberwindbare Hindernisse stieß. Fleiß und Tüchtigkeit, Umsicht und Sparsamkeit, Unternehmungsgeist und günstige Zeitumstände ließen manche Sensenschmiede zum Wohlstand gelangen, der in größerem Grundbesitz und stattlichen Wohnhausbauten in Erscheinung trat. Zahlreiche Schmiede, die ihre Marktreisen über Deutschlands Grenzen hinaus nach Holland, Brabant, Frankreich oder nach dem „Ostland" und den nordischen Gebieten ausgedehnt und sich die nötigen kaufmännischen Fertigkeiten angeeignet hatten, stiegen zu angesehenen Handelsherren empor, so die Arndts, Daum, Frohn, de Grote, Grund, Hartkopf, Haddenbrock, Honsberg, Putsch, Tilmans, Wüste u. a. Andere Meister gerieten mit und ohne ihre Schuld in Not, so dass sie sich gezwungen sahen, einen anderen Beruf zu ergreifen oder sogar bei Nacht und Nebel fluchtartig die Heimat zu verlassen, um der Verfolgung ihrer Gläubiger zu entgehen. Als im Jahre 1722 zur Deckung der dem Handwerksvogt entstandenen Kosten eine besondere Umlage beschlossen wurde, setzte man für einen bemittelten Schmied 20, für einen „mittelmäßigen" 15 und für einen „geringen Schmied" 6,5 Stüber an, ein Beweis, wie verschieden die Handwerksmeister damals nach ihrer Vermögenslage eingeschätzt wurden.

Während die Schleifer schon früh auf die Ausnutzung der Wasserkraft angewiesen waren und ihre Tätigkeit meist fernab von ihren Wohnsitzen in den Rotten der Täler ausübten, erfolgte das Schmieden der Sensen in alter Zeit ausschließlich mit dem Handhammer in den dicht bei den Behausungen gelegenen Werkstätten. Der Friede dieses altbergischen Handwerks wurde gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts gestört. Als man im Märkischen und schließlich auch bei uns dazu überging, das Ausschlagen der Sensen in den Wasserhämmern vorzunehmen, da wurden die Blicke der alten Sensenschmiede immer sorgenvoller. Zwar stemmten sie sich mit der ganzen Zähigkeit ihres Geschlechts den unbequemen Neuerungen entgegen, aber alle Handwerksbeschlüsse konnten den Rückgang der alten Sensenwerkstätten nicht mehr aufhalten. Doch statt die Arme mutlos sinken zu lassen, wandte man sich anderen Erzeugnissen zu. Kluge Köpfe und kunstgeübte Hände verstanden es, der rohen Kraft des Wasserhammers den Rang abzulaufen und die Feinheiten der vielen Werkzeugsorten in bewundernswerter Weise zu ergründen und nachzuschaffen, so dass der Ruf der Bergischen Eisen- und Werkzeugindustrie den der früheren Sensenschmiederei bei weitem überholte.

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