Wer heute in Serpentinen die Solinger Straße hinunterfährt, tut gut daran, auf sein Steuerrad zu achten. Wandersleute benutzen diese ausgesprochene Verkehrsstraße wohl noch selten. Sie ziehen es vor, auf schmalen Waldwegen ins Tal zu gehen. Wie dem auch sei! Tausend Gedanken mag man zu Fuß oder im Wagen den Berg hinunter- und herauftragen, selten aber wird ein Einheimischer oder „Hergeluopener" sein Augenmerk auf die „alte Wendung" richten, oder er müsste schon über ihre Entwicklung im Bilde sein. Wie ein Verkehrsposten steht heute das Fabrikgebäude in der alten Wendung. Seine beiden Schornsteine führen in ungleicher Höhe einen unbeachteten Wettstreit um den besseren Abzug. Die Berghänge fließen ineinander, dichte Baumkronen nehmen alte, saubere Schieferhäuschen in sichere Obhut. Vom oberen Rand dringen Felder und Wiesen nach unten, ohne den Waldschutz der historischen Stätte zu bedrohen.
Es ist eine Wendung, nicht nur im Sprachgebrauch, sondern auch im Tatsächlichen. 1853 versuchten an dieser Stelle die Gebrüder Böker, die Dampfkraft in den Dienst ihrer Arbeit zu stellen. Hier lief die erste Dampfmaschine, das Wunder der neuen Technik. Viele Anekdoten sind über den Versuch mit der neuen Kraft „Dampf" in Umlauf. Gustav Hermann Halbach erzählt in seinem Buch „Bergische Aat" darüber: „... Die Gebrüder Robert und Heinrich Böker hatten ihrem Werke eine große Schleiferei nebst Pließterei angegliedert und für den Betriebsbeginn gleich sechs große und schwere Schleifsteine gehangen. Der Schleifermeister Franz Arnold Halbach von Reinshagen hatte diesen Schleifkotten mit seinen wegen ihrer Körperkräfte bekannten sechs stattlichen Söhnen Wilhelm, August, Franz, Karl, Alfred und Richard zum Betriebe gepachtet.
Franz Arnold Halbach schliff in der Hauptsache schwere Werkzeuge, insbesondere Feilen. Nun vertraute er nach bisheriger Lebenserfahrung immer noch mehr der Leistungsfähigkeit seiner eigenen und seiner Söhne Körperkräfte als der noch unerprobten Dampfmaschinenkraft. Er hielt es für unmöglich, dass diese einer Anzahl starker Menschenkräfte widerstehen könnte. Hatten seine Söhne in seinem bisherigen, mit Wasser betriebenen Anschlagkotten an der Wupper, unterhalb Müngstens, bei niedriger Flut die kreisenden Schleifsteine doch schon mehr als einmal mit ihrer Muskelkraft stillgesetzt. Als daher die sechs neuen Steine nach einem vorher mit der Dampfpfeife gegebenen Zeichen zu laufen begannen, da sagte er zu seinen Söhnen: „Jongen, nu äwwer raan an et Werk! Nu weffe dat Dengen es ewen stellsetten!"
Der Reihe nach setzten sich die sechs Burschen vor je einen der sich drehenden Steine. Jeder nahm eine der schwersten Arm- und Handfeilen in die Hand und, ihren Rücken gegen das Anlegebrett gestemmt, pressten sie sie mit aller Gewalt vor den Stein in dem Glauben, ihn einhalten zu können. Es nutzte sie aber nichts, alle sechs Steine kreisten in gleicher Gangart weiter. Franz Arnold Halbach ermunterte aufs neue seine Sprößlinge: „Raan, Jongen, dat Dengen motten ve stellsätten!" Die sechs stämmigen Recken versuchten noch einmal ergebnislos ihre letzte Kraft. Da aber gab Franz Arnold Halbach sein Spiel verloren. Er sah ein, dass die Naturkraft des Dampfes über Menschenkraft ging, und ganz enttäuscht rief er endlich aus: „Kranatendonnerkiel, Jongen, et batt nit, dat Dengen treckt alles!"
So wurde die alte Wendung Ausgangspunkt des stürmischen Maschinenzeitalters und bedeutete für Remscheid den letzten und endgültigen Zug vom Tal auf die Höhe, vom wasserumspülten Hammer zur großräumigen Industriehalle und bewegt uns, noch einmal den vielhundertjährigen Weg Remscheider Arbeit zurückzuschauen: In den Höfen begann die eiserne Betriebsamkeit in kleinsten Stuben und Schmieden. Man entdeckte die helfende Bereitschaft der sprudelnden Bäche, stieg ins Tal und bewegte mit schweren Wasserrädern und Wellen die schlagenden Hämmer und kreisenden Schleifsteine, die lange Jahre Rhythmus und Symphonie bergischen Schaffens wurden. Und schließlich ging es „mit Dampf" zurück auf die Berge, wirklich eine Wendung durch die Wendung. (aus: „Remscheider Bilderbogen“ von Max Eulenhöfer aus dem Jahre 1950)